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das kulturelle überformat
Nr. 26 / 24. Juli 2009
#Interview mit Moby
  5/9
musik
Interview mit Moby

Länge eines Doppelalbums hat und dann hört man John Lee Hooker, der bloss mit einem einzigen Akkord auskommt. Das Finden dieser Einfachheit war irgendwie auch eine Rebellion gegen meine Erziehung.

Das Interessante an den Songs von John Lee Hooker und anderen Bluesgrössen ist ja,
dass sie zwar einfach wirken, aber auf der emotionalen Ebene Komplexität besitzen. Die vielschichtige Dimension lauert unter der Oberfläche.

Genau. Das hat mir der Semiotik zu tun. Die Zeile «I Hated The Day I Was Born» – ich meine – was gibt es da noch hinzuzufügen? Immerhin singt dies ein Afroamerikaner, der in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts im Süden der USA aufgewachsen ist. Das hat dann natürlich eine ganz andere Dimension, als wenn dies ein pubertärer weisser Jugendlicher aus einem Suburb sagt. Hinter Hookers Satz verbirgt sich die ganze Geschichte eines Volkes. Und dann wird es eben interessant, wenn die einfachen Worte bloss die Spitze eines Eisberges sind.

Und wenn man diesen einen Satz immer wieder repetiert, dann wird das Wort und die Stimme Teil des Klanges. Gesang und Begleitung sind nicht mehr strikt voneinander getrennt.


Ich liebe Stimmen. Und ja, Sie haben recht.

Stimmen sind ein fester Teil der Komposition. Und die Stimme transportiert ja nicht nur Text. Das Timbre, der Charakter, die Lautstärke sind ja ebenfalls Teil der Stimme. Deshalb liebe ich auch Trompeten, weil die meisten Trompetenspieler sagen, sie versuchten so zu klingen wie als ob jemand singen würde. Oder umgekehrt: Billie Holiday sagte, sie versuche zu singen wie eine Trompete. Das ist übrigens etwas, was ich bedaure: dass ich nicht besser singen kann. Aber hätte ich als Zehnjähriger eine wunderbare Stimme gehabt, hätte ich wohl nie ein Instrument gelernt und wüsste auch nicht, wie man Platten produziert.

Obwohl ich zugeben muss, dass «Mistake», der einzige Song, den Sie auf dem neuen Album selber singen, doch ausserordentlich gelungen ist.


Vielleicht auch nur, weil ich mir bewusst bin, wo meine Grenzen liegen.

Immerhin liegt Ihre Stimme in diesem Song irgendwo zwischen David Bowie und Peter Murphy von Bauhaus.

Obwohl beide eine ungleich bessere Stimme haben als ich, ist es wohl doch kein Zufall. Ich habe in meinem Leben wohl irgendwo so um die 5'000 Stunden damit verbracht, David Bowie, Bauhaus und Joy Division zu hören. Ich versuche sie ja nicht nachzuahmen, aber ich bin letztlich auch das Produkt meiner Einflüsse.