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das kulturelle überformat
Nr. 26 / 24. Juli 2009
#«Black or White» – Buchauszug
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dossier: Michael Jackson
«Black or White» – Buchauszug

würde, nämlich: «Nein.» Man vermutet zudem, dass Michael Jackson spätestens seit seinem fünften Lebensjahr nie mehr Musik gehört hat, die nichts mit seinem «Job» zu tun hatte. Dass er die sozialisierende Kraft der Musik nur von einer Seite her kannte: vom Bild, das sich ihm präsentierte, wenn er vor den ihn anbetenden Fans auf der Bühne stand und den Märchenprinzen mimte, der mit surrealen Tanzbewegungen der Schwerkraft zu entrinnen versuchte. Man vermutet deswegen auch, dass die Musik für Michael Jackson vor allem ein Geschäft blieb, eines, das Künstler in «Verlierer» und «Gewinner» einteilte, je nachdem, wie viele Fans sie um sich scharten. Die Jacksons, so hatte Joseph deklariert, waren keine Verlierer. Durften keine Verlierer sein.

Michael Jackson redete – wenn er redete – immer wieder von seiner verpassten Kindheit. Der Rummelplatz, den er sich in seinem Neverland einrichtete sei ein Versuch, ein Leben nachzuholen, das ihm verwehrt  geblieben war, genauso wie die Tatsache, dass er sich bei
jeder Gelegenheit mit Kindern umgeben wollte. Dabei war es für seine persönliche Entwicklung bestimmt kaum weniger fatal, dass er auch seine Teenage-Jahre buchstäblich auf der Bühne an sich vorbeiziehen lassen musste. In einer Zeit, wo Teenager gewöhnlich lernen, sich als selbstständig werdende Menschen in der Gesellschaft zurecht zu finden, lernte Michael

Jackson, wie man sich mit der Plattenfirma balgte und vor wildgewordenen Fans in den Warenlift flüchtete. Seine Vorstellung vom Alltag eines durchschnittlichen kalifornischen Teenagers basierte notgedrungenerweise auf Reporten aus zweiter und dritter Hand – es ist nicht unmöglich, dass die Monkees in seinen Augen typisch waren für die moderne Jugend. Jackie, Tito, Jermaine und Marlon hatten es geschafft, dem väterlichen Diktat genug lang zu entwischen, um anderswo Beziehungen anzuknüpfen und ein halbwegs «normales» Teenagerleben zu führen. Sie nutzten die erstbeste Gelegenheit, sich mittels Heirat aus der Umklammerung der Familie zu lösen (1976 heiratete auch Marlon sehr jung – heimlich, denn er wollte nicht, dass Joseph irgendwie dreinreden konnte). Für Michael war das alles sehr viel schwieriger. Sein aussergewöhnliches Talent bedeutete, dass er die grösste Verantwortungslast zu tragen hatte und entsprechend auch die grösste Arbeitslast. Schon als Kind wurde er von einem gewaltigen Ehrgeiz und einem übermächtigen Perfektionismus getrieben. Damit verstärkte sich der Druck noch, der auf ihm lastete. Zudem stand er der Mutter Katherine von allen jungen Jacksons am nächsten, darum hatte er auch ihren Glauben, den der Zeugen Jehovas, angenommen, und das wiederum hatte seine eigenen, merkwürdigen Konsequenzen.

Michael störte sich nicht nur am eifrigen Sexleben von seinem Vater, das er – seine