Anzeige
das kulturelle überformat
Nr. 16 / 3. Juli 2008
#Kolumne von Hanspeter Künzler, London
  4/5
gedankengang
Kolumne von Hanspeter Künzler, London

Auf der grossen Pyramidenbühne traten die aktuellen Superstars auf, diverse Nebenbühnen gehörten kommenden Indie-Rockern, World-Musikanten, DJs, aber auch Zirkus-Performern, Comedians und Dichtern. 1990 erschienen bereits 70’000 Fans, um The Cure, Happy Mondays, Sinead O’Connor und World Party zu geniessen. Es kamen allerdings auch ein paar tausend fundamentalistische Crusties – die militant anarchistische Bewegung, die aus der Acid-House- und Warehouseparty-Szene herausgewachsen war. Sie begehrten Gratiseinlass und inszenierten schliesslich einen Krawall, der 235 Verhaftungen und 50’000 Pfund Schaden zur Folge hatte.

Danach wuchs Glastonbury störungsfrei weiter. Heute lockt es 150’000 Musikfans an, das Angebot der auftretenden Musikanten ist kaum mehr zu überblicken. Jedes Jahr wieder gibt es eine Band, deren überragender Auftritt das ganze Wochenende prägt und sie selber auf eine neue Status-Ebene hebt. Pulp wären ohne Glastonbury und «Common People» noch heute eine respektable Ferner-Liefen-Band. Auch Radiohead konsolidierten ihren Ruf mit einem stellaren Glastonbury-Auftritt. Dazu pflegt Michael Eavis ebenfalls schon seit Jahren die Tradition, gänzlich uncoole oder aber altmodische Figuren auftreten zu lassen, die sich dadurch ein Plätzchen an der Sonne der Gunst der Jugend ergattern können. Rod Stewart, Shirley Bassey, Chas & Dave und in diesem Jahr Shakin’ Stevens haben so vom grosszügigen Glastonbury-Publikum profitiert, das ganz im Gegensatz zu anderen Orten seinem Unmut nicht mit fliegenden Pissflaschen Ausdruck verleiht.

Höhepunkte, die selbst ab TV als solche zu erkennen waren, gab es auch in diesem Jahr wieder etliche. Die Raconteurs legten ein Set hin, das den Mann von der BBC zur Bemerkung hinriss, es sei das beste Live-Set gewesen, das er seit Nirvana in Reading erlebt hätte. Beeindruckend waren auch Elbow, die mit einem ganzen Streichorchester erschienen waren. Und Leonard Cohen. Selbst die