Boulevardpresse hat sich heuer gewaltig für Glastonbury interessiert: zum einen war Amy Winehouse gebucht, und bei der weiss man ja nie (sie erschien pünktlich und schlug sich ansprechend). Zum anderen trat als Headliner am Samstag der Rapper Jay-Z auf. Eavis hatte vor einiger Zeit verkündet, er meine, sein Festival sei zu konservativ und eingleisig geworden. Jay-Z sollte das Publikum verjüngen und ausweiten. Noel Gallagher persönlich hatte erklärt, er halte das für falsch – Glastonbury sei ein Gitarrenfestival und basta. Die Boulevardpresse war Wochen vorher schon sehr gespannt darauf, wie es dem Amerikaner ergehen würde. Die Antwort: nicht schlecht. Er revanchierte sich bei Noel Gallagher mit seinem Auftakt: als erstes kredenzte er unter tosendem Applaus eine muntere Version von «Wonderwall», samt Gallagher-Zitaten, dem liess er – sagen die Zeitungen – eine unterhaltsame Rapshow folgen. Die meisten Kritiker und Musikfans reagierten positiv auf Jay-Z.

Eavis aber hat bereits durchblicken lassen, dass er sich das nächste Jahr nicht mehr auf ein solches Experiment einlassen wolle: im Gegensatz zu den Vorjahren, wo jeweils schon Wochen vorher alles ausverkauft war, gab es diesmal noch am Freitag Tickets zu haben. Die Angst vor der Pleite hätte ihn mehr Nerven gekostet, als die Crusties und ihr Krawall damals, sagte Eavis. Nun – ich bin jedenfalls froh, dass ich Glastonbury ein weiteres Jahr vor dem Fernseher erleben durfte. So fühlte ich mich höchstens noch dazu verpflichtet, die Highlights zu begucken. So darf ich in ein neues Jahr nach Glastonbury-Zeitrechnung steigen, ohne mich zuerst einer zweimonatigen musikalischen Abmagerungskur zu unterziehen. Ausserdem wurde mir so die politisch ohne Zweifel korrekte Anwesenheit im Publikum von Jay-Z erspart. Als virtueller Zuschauer drückte ich aufs Knöpfchen und schaltete gänzlich ohne schlechtes Gewissen zurück auf Elbow.
Hanspeter Künzler

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