Kulturvöllerei und akustischer Porridge
Während diese Zeilen in den Computer gehauen werden, dürften die letzten Schlachtenbummler gerade daran sein, das ihnen noch verbliebene Hab und Gut in Richtung nächster Bushaltestelle zu schleppen. Derweil ist ein Heer von Freiwilligen dabei, den Kehricht von den einstmals grünen Wiesen weg zu räumen, damit sich auf diesen auch Kühe wieder ein gemütliches Daheim einrichten können. Immerhin braucht es dieses Jahr die beiden Magnetmaschinen nicht mehr, mit denen bis anhin die von den Zeltlern achtlos im Boden zurückgelassenen Heringe eruiert und entfernt wurden: dieses Jahr sind erstmals biologisch abbaubare Heringe verteilt worden, die niemandem schaden, wenn sie in der Erde verrotten.
Glastonbury. Das Festival aller Festivals. Es gehört zum englischen Sommer wie die Regenpausen von Wimbledon. Natürlich war ich nicht da. Festivals habe ich noch nie freiwillig erduldet. Drei Tage lang von Permamusik bedröhnt zu werden, was gäbe es für einen Musikfan Schlimmeres? Musik ohne Pause ist Kulturvöllerei. In dem andauernden Krach verkommt alle Musik zum akustischen Porridge. Ich spreche aus Erfahrung. Das letzte Festival, das ich besuchte, war Woodstock 1994. Es gab mir endgültig den Gong. Schon am Freitag liefen die ersten Toiletten über. In der Nacht auf den Samstag kam auch noch der Regen. Das Resultat: zwei Tage Schlammtortur. Nine Inch Nails waren die einzige Band, die vor ihrem Auftritt ebenfalls ein Schlammbad nahm. Green Day schmissen die Lehmknollen, die ihnen zuflogen, mit Gusto ins Publikum zurück. Das Festival hinterliess immerhin ein paar Anekdoten. Etwa die, wie alle Bands, die ins Interviewzelt kamen, in einem Golf-Buggy Platz hatten – nur Crosby, Stills und Nash nicht, die brauchten deren drei.