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das kulturelle überformat
Nr. 16 / 3. Juli 2008
#Kolumne von Markus Schneider, Berlin
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gedankengang
Kolumne von Markus Schneider, Berlin

«Is doch Freundschaft, alles»

So. EM vorbei, die deutsche Mannschaft hat sich irgendwie achtbar, aber leider ziemlich unter Wert ins Finale gekickt und ganz normal gegen wesentlich wachere und flinkere Spanier verloren. Immerhin konnte man ja sehen, dass es mit Schweinsteiger und Lahm, Podolski und vor allem Ballack durchaus ziemlich gute und mitunter inspirierte Techniker gibt. Auch Tiger, die Kralle Kreuzbergs, hat sein provisorisches «Süper-EM-Stüdyo» im Lager von KGPA (Konkret-guter-Preis-Ahmed) wieder abgebaut und berichtet nicht mehr täglich von den Autokorsos der Türken am Kudamm. Und, jaja, es war natürlich wieder ein prima Fest, mit viel Geschrei und auf Damenbrüste gemalten Nationalflaggen. Die deutschen Fans haben sich vergebens nach dem Türkei-Spiel an der offenbar gar nicht so leichten Technik des Korsos versucht und sind eher seltsam verängstigt hintereinander hergefahren.

Dass es durchaus noch Dinge zu bereden geben wird im transnationalen Austausch, konnte ich am letzten EM-Wochenende erleben, als ich gegen halb zwei, Samstagnacht, noch kurz ein Eis an der Tankstelle unten holen wollte. Zwei schmächtige studentische Jungs kamen mir in Richtung Amüsierhölle Schlesisches Tor entgegen, gutgelaunt fahrradschiebend, mit Achtziger-Tolle und dünnen Röhrenbeinen. Zwei deutlich migrantische, quadratisch-kräftige Kids mit Tysonschnitt kreuzten ihren Weg und gaben wie nebenbei dem Zarteren der beiden kurz einen unerwarteten, nicht eben unschroffen Klaps auf den Hinterkopf mit. Die recht fassungslosen, aber ganz gewaltunbereiten Blicke der Verdatterten kommentierten sie mit einem vage brodelnden, hämischen «Was guckstn, Alta, is doch Freundschaft, alles.» Dies den Apologeten des neuen, zivilisierten Chauvinismus ins Stammbuch.