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das kulturelle überformat
Nr. 32 / 10. August 2010
#Interview: M.I.A.
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musik
Interview: M.I.A.

die kriegt das schon hin. Aber mir ist auch klar, warum das für jemanden wie Lynn Hirschberg seltsam ist. Mein Punkt ist: Wenn Nachrichtensender wie BBC World News oder Channel 4 News über ein Kriegsgebiet oder so etwas berichten, dann gibt es immer diese Kinder, die im Hintergrund eines Ladens herumrennen und einen Sprecher, der sagt dann: «Diese Kinder brauchen blabla, auf dieses Haus fiel eine Bombe, blabla», und dann kommt ein Schnitt ins britische Parlament, wo der Außenminister sein bla dazugibt. Aber es kommt nie: «Und jetzt sprechen wir mal mit dem Kind.» Weil niemand mit dem Kind spricht, muss es in den Westen kommen, die Sprache lernen, eine Musikerin und ein Popstar werden und sich vor Leute wie Lynn Hirschberg setzen. Da sitzt es dann und sagt: «Erinnerst du dich daran, als man mich im Fernsehen vor 15 Jahren nicht gefragt hat? Was ich sagen wollte, war...» Und dann haut ihr Lynn Hirschberg eine rein.

Die New York Times hat mittlerweile eingeräumt, dass Ihre Zitate aus dem Kontext genommen wurden. Aber auch Ihre Sicht der Verhältnisse im Bürgerkrieg wird in Frage gestellt.


Ich könnte ja auch fragen: Wo war die Journalistin Hirschberg denn vor 15, zwanzig Jahren, als sie auch dort hätte sein können? Da war sie zu beschäftigt damit, mit Courtney Love rumzuhängen und Champagner zu

trinken. (Hirschberg wurde 1992 durch ein kontroverses Porträt Loves bekannt, Anm. des Verf.) Es ist schon interessant, dass es einfach keine Informationen gibt, wenn wir uns nicht aus unserer Umgebung fortbewegen, um zu erzählen, was bei uns passiert. Wann war das letzte Mal, dass wir aus einem tamilischen Mund etwas darüber gehört haben, was in den Camps geschieht? Zivilisten werden am Strand bombardiert und man hört nichts ausser Regierungsmeldungen. Selbst in der New York Times liest man nur: Die srilankische Regierung erklärt, dass 10’000 Menschen umgekommen sind – das finden dann alle cool und es bleibt dabei für 100 Jahre. Keiner fährt mal hin, um sich ein paar Massengräber anzuschauen. Keiner. Ein paar Tage bevor das Porträt erschien, gab es dann die Meldung aus Delhi, dass es Beweise dafür gab, dass die Regierung für die Tötung der Zivilisten verantwortlich war. Hirschberg hätte ja einfach ihre eigene Zeitung lesen können, bevor sie mich in dem Artikel runtermacht.

Entscheidend dabei ist aber doch auch, dass Sie ihre Politik ästhetisch formulieren, durch schrille Grafiken und auch diesmal wieder wundervoll turbulente, laute Sounds und Geräusche, und eben nicht durch gradliniges Predigen.

Klar. Man kann so eine Botschaft mit Tönen und Geräuschen erzählen. Mit Andeutungen. Aber es geht doch darum, dass die Leute an