Meyer's Bar landete bei der Literatur. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was der Bassist mir für Empfehlungen auftischte (irgendwo in meiner Agenda werden sie schon stehen, es waren interessante Anregungen). Aber ich kann mich erinnern, dass er sie allesamt als Beispiele von Autoren vorbrachte, die man eher lesen müsste als Max Frisch. Der – so machte er unmissverständlich klar – ging ihm ganz gewaltig auf die Nerven. Das sei so ein altmodischer, einer aus einer anderen Zeit, von dem nur noch das Pompöse geblieben sei. Ich wetterte dagegen. Frisch, der mich durch die Teenagerjahre und quasi bis ins Holozän hinein begleitet hatte auf meinem Weg von Zürich nach London, vom androgynen Rämibühl-Hippie und Amon Düül 2-Fan zum graubärtigen Wahl-Londoner mit einem Fitnessproblem und einer pathologischen Abneigung gegen junge amerikanische Autoren, die ihm ihre belesene Cleverness um die Ohren hauen.
Jetzt also «Entwürfe zu einem dritten Tagebuch». Ich kam mir bei der Lektüre komisch vor. Ja, natürlich handelt es sich bei dem Buch um ein Fragment. Der Nachlass hat sich jahrelang Gedanken darüber gemacht, ob eine Veröffentlichung überhaupt statthaft sei. Abgebrochen hatte Frisch die Arbeit ungefähr dann, so wird vermutet, als die Affäre mit der jungen Amerikanerin endgültig in die Brüche ging. Er wird also die Einzelteile dieses Tagebuches nie mehr genau ausgemistet haben – zumal die Sammlung eh schon dünn genug ist. In der Tat fehlt die bildliche und gedankliche Dichte früherer Tagebücher, die schonungslose, skalpellhafte Präzision, die man dort so geschätzt hatte. Es fehlt auch die Leichtigkeit des Ausdruckes, die mit legerem Handgelenk hingeworfene Ironie. Hingegen spürt man dann und wann gut den ohnmächtigen Zorn eines Menschen der älter wird und spürt, dass es Idiotie auch nach seinem Tod noch geben wird. Darum habe ich auch dieses Frisch-Buch wieder verschlungen: wie es geschrieben ist, ist eben doch Frisch.