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das kulturelle überformat
Nr. 24 / 12. Mai 2009
#Interview mit Vinicio Capossela
  6/7
musik
Interview mit Vinicio Capossela

Frau, das zweiköpfige Schwein, lauter so seltsame Dinge, die man ausstellt, weil die Menschen solche Dinge sehen wollten. Auf der Platte ist das etwas anders, da herrscht weniger Zirkus-Atmosphäre. Aber wir haben diese Darstellung gewählt, weil wir vom legendären Charakter des «story-faced man» ausgegangen sind, jenem Menschen, dem die Geschichten, die er erlebt hat und die sein Herz berührt haben, jeweils das Gesicht veränderten.

Gehen Sie immer von Konzepten aus, wenn Sie ein neues Werk beginnen? Und wenn ja, beginnen Sie mit einem musikalischen oder mit einem thematischen Konzept?

Ein Album betrachte ich gleich wie ein Film oder ein Buch. Es ist ein Werk, das eine eigene Identität hat, auch wenn es vielleicht ganz unterschiedliche Stücke beinhaltet. Ein Album trägt einen Namen und es hat ein Gesicht. Und es gibt dazu eine Show, die dieses Album visualisiert. Mein erster Gedanke ist jeweils: was will ich eigentlich erzählen? Bei «Ovunque Proteggi» bin ich von Heiligen ausgegangen, von antiken Sagen und der Mythologie. Von Menschen und ihrem Umgang mit den Ritualen. Das neue Album handelt dagegen von Dingen, die uns alle sehr nahe sind: vom Verlassenwerden, von der Distanz, vom Krieg, von den USA. In diesem Sinne ist es auch ein viel zeitgemässeres Album geworden. Aber um auf die Frage zurückzukommen: zuerst ist da

immer die Grundidee, daraus ergeben sich dann die Stücke, mit denen man über diese Idee reden kann.

Wenn man Ihre Karriere mitverfolgt hat, so merkt man, dass Sie immer persönlicher, aber auch immer radikaler werden. Ein gefährlicher Weg, wenn man sein Publikum stets von neuem fordert. Oder nicht?

Nun ja, die Gefahr lauert immer, auch wenn man bloss die Strasse überqueren will. Man braucht Mut, um über die Strasse zu gehen. Und jedesmal, wenn wir uns für die eine Strasse und gegen eine andere entscheiden, setzen wir uns anderen potenziellen Gefahren aus. Wenn man jünger ist, hat man eine vagere, eine generellere Idee von der Musik und dem Leben. Im Laufe der Zeit hat man dann andere Arten von Messer zur Verfügung, um damit tiefer graben zu können. Und so gräbt man sich ein in ein bestimmtes Thema, anstatt bei vielen Dingen bloss an der Oberfläche herumzukratzen .

Wird es denn mit der Zeit einfacher, Stücke zu schreiben, weil man an Erfahrung gewinnt? Oder wird es im Gegenteil schwieriger, weil man nicht mehr so schnell zufrieden ist?

Es wird im Laufe der Zeit schwieriger, Stücke in einem Rutsch zu schreiben. Vor ein paar Jahren konnte ich meine Lieder von Anfang bis