bekannten sich auch wieder mehr Männer zum sensiblen Songschreiben und Singen, allen voran Ex-Jam-Kopf Paul Weller, der mit «Wild Wood» 1993 einen Neustart als singender Songschreiber gewagt hatte und von der bald darauf heranbrausenden Brit-Popszene zum Vorbild erhoben wurde. Die erfolgreiche Abkehr der Britpop-Bands vom Groove- und Stadion-Rock zurück zum kurzen Song mit klarer textlicher Aussage sorgte ebenfalls für ein verstärktes Interesse am Songschreiben als Handwerk.
Das Internet als Chance
Es folgte ein veritables Erdbeben im Musikgeschäft. Das Internet und damit die Möglichkeit, Musik praktisch kostenlos in der ganzen Welt herumzuschicken, startete einen Boom im Gebiet der Musikarchäologie. Verschüttete Musik wurde haufenweise freigeschaufelt und mit Gusto einer neuen Einschätzung unterzogen. In Grossbritannien war der Folk(-Rock) der Sechziger und frühen Siebziger seit langem nur noch das (teure) Tummelfeld von Sammlern gewesen. Jetzt entdeckte man besonders darin einen gewaltigen Fundus von Impulsen und Ideen, deren Potenzial längst nicht ausgeschöpft war. Um die Schwelle zum 21. Jahrhundert war zudem die reine elektronische Musik in eine Sackgasse geraten. Die ewig repetierten Techno-Beats erfüllten zwar ihre Funktion in den Klubs weiterhin, aber die Avantgarde brauchte dringend frische Horizonte. Sie fand diese im neuen (Acid-)Folk-Boom. Alsbald war der Genre «Folktronica» geboren. Künstler wie Kieran Hebden (Fourtet), Patrick Wolf, Jeremy Warmsley oder Adem verkörperten mit ihren Laptops den singenden Songschreiber in einem aufregend frischen Gewand.
Ähnlich interessierte man sich auch in den USA wieder für «alte» Musik. «Americana» hiess das Genre – mit Protagonisten wie etwa Wilco-Kopf Jeff Tweedy an vorderster Front – eine Art von Folk und Country beeinflusster Indierock.