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das kulturelle überformat
Nr. 5 / 31. Mai 2007
#Jeff Tweedy und Wilco
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dossier: Singer/Songwriter
Jeff Tweedy und Wilco

Wir sitzen in einer Cocktailbar im sechzehnten Stock, hoch über den Dächern des Londoner West End, und Jeff Tweedy zerstreut gleich zu Beginn unseres Interviews alle Hoffnungen auf neue Turbulenzen in der an Kontroversen alles andere als armen Geschichte von Wilco.
«Zu den letzten zwei Platten gab es genügend Hintergrundstories. Die Geschichte mit der Plattenfirma, die Geschichte meines Entzugs. Da gab es viel zu bereden, was von der Musik ablenkte. Das war auch in Ordnung so. Aber diesmal gibt es nichts dergleichen. Und dazu stehe ich.»
Die Drinks-Karte ist bücherdick, aber der Sänger und Songwriter der liebenswertesten unter den grossen zeitgenössischen amerikanischen Rockbands bleibt bei seiner Cola. Jeff Tweedy hat die gemessene, vorsichtige Ausstrahlung eines Mannes, der in seinen knapp vierzig Lebensjahren nicht zuletzt wegen der Migräneanfälle, die ihn schon zu Schulzeiten quälten, die Schattenseiten betäubender und tröstlicher Substanzen ein wenig zu genau kennen gelernt hat – von Schmerzmitteln, über Alkohol bis zu übermässigem Cannabis-Genuss.
«In den letzten drei Jahren, seit ich wegen meiner Sucht, meiner Panikanfälle und anderer Dinge ins Spital ging und damit umzugehen lernte, habe ich viel mehr Bezug zu meinem Leben ausserhalb der Musik gewonnen», meint Tweedy. «Lange Zeit war die Musik der einzige Bereich meines Lebens, der funktionierte.» Mittlerweile laufe sein Privatleben – Tweedy ist verheiratet mit zwei Söhnen – so gut, dass ihm das ewige Verreisen mit dem Gitarrenkoffer in der Hand immer schwerer falle.