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das kulturelle überformat
Nr. 5 / 31. Mai 2007
#Kolumne von Hanspeter Künzler
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gedankengang
Kolumne von Hanspeter Künzler

Der einzige Ausweg für die, die nicht Mitglieder eines Klubs, eines Kegelvereines oder einer Kirche sind, ist der Lokalpub. Im Prinzip kann jeder in jeden Pub hinein. In der Praxis gibt es Unterschiede. Schwulenpubs (erkennbar an den Schwulen an der Bar) sind zum Beispiel nicht jedermanns Sache. Ditto Rassistenpubs (erkennbar an den weiss-roten Englandwimpeln und der «White is Best»- Tätowierung auf der linken Brust der Bardame).

Oder Popstarpubs (erkennbar an den überrissenen Champagnerpreisen und den kichernden Supermodels). Oder gar Irenpubs (erkennbar am sentimentalen Liedergröhlen und Krokodilstränenvergiessen). Der falsche Gast im falschen Pub kann – sofern er es nicht selber merkt und Leine zieht – in ungemütliche Situationen geraten. Es braucht Monate, ja Jahre, bis man als Stammgast so weit gekommen ist, dass man a.) bei lockeren Konversationen mit dem zufälligen Tischnachbar nicht das Gefühl hat, man werde einer Prüfung unterzogen, und b.) vom Wirt manchmal ein Gratisbier ausgeschenkt bekommt. Dann aber treten andere englische Alltagsgesetze in Kraft. Zu allerorberst auf der Liste: die steife Oberlippe. Man kann im Pub im Prinzip alles sagen. Nur nichts, was mit den eigenen Emotionen zu tun hat. Da geht der Laden beim Gesprächspartner schnell hinunter! Und bleibt monatelang unten. Dem anderen eine Ohrfeige zu verpassen – kein Problem. Oder zugeben, dass man nur im Pub sitzt, weil man sich sonst einsam fühlt – nie und nimmer!

Weiters gehört es zu den traditionellen Pub-Manieren, sich als «Working Class»-Sympathisant zu outen (wobei es die neueste Generation von Pubs, in denen keine Vorhänge mehr die Fenster verbergen und in denen es nebst Bier auch Kaffee und trinkbaren Wein gibt, es damit nicht mehr so genau nehmen). Vor allem aber darf man sich niemals vorwerfen lassen können, man sei in irgendeiner Weise «prätentiös». Als nicht «prätentiös» gelten alle geistigen Ergüsse, die auch noch nach fünf Pints Bier ohne grössere geistige Qualen sofort erfasst werden können.