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das kulturelle überformat
Nr. 13 / 4. April 2008
#Interview mit Camille
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musik
Interview mit Camille

Dann sind Sie immer auf der Suche nach Sprachen?

Ich habe letzten Sommer in Paris ein Konzert mit geistlichen Liedern gegeben, viele davon sehr alt und mit den verschiedensten Sprachen. Ich will diese Sprachen nicht lernen, vielleicht ist es sogar gut, dass ich einige davon nicht verstehe. Mich interessiert der Klang dieser Sprachen und wie man mit diesem Klang experimentieren kann. Sprachforschung ist für mich Musikforschung, weil Sprache der Schlüssel zur Musik darstellt. Die Melodie einer Sprache sagt ja auch schon sehr viel aus über die Region, aus der sie stammt.

Und über die Mentalität der Leute, die sie sprechen.

Ja. Aber auch umgekehrt. Die Melodie einer Sprache beeinflusst die Mentalität und die Mentalität der Menschen beeinflusst den Umgang mit der Sprache.

Franzosen oder Deutsche benötigen drei Sätze, um dasselbe zu sagen wie ein Amerikaner in ein paar Wörtern.

Exakt. Die gehen immer voll auf den Punkt. Amerikanisch ist sehr pragmatisch, aber gleichzeitig auch äusserst evokativ. Man kann sehr viel mit einem einzigen Wort ausdrücken, weil vieles reduziert und aufsummiert wird. Auf eine ganz besondere Weise, finde ich dies

eigentlich ein sehr poetischer Zugang zu der eigenen Sprache, dem Englischen. Zudem mag ich bei vielen Wörtern den kohärenten Klang zur Aussage. «Whisper» klingt bei der Aussprache schon wie Flüstern. Das französische Wort «murmure» dagegen klingt völlig anders. «Snake» ist auch so ein Wort, in dem man die Schlange förmlich hören kann.

Kürzlich stand in der Zeitung, dass pro Jahr 38 Sprachen aussterben. Am Ende reden alle nur noch Englisch, aber beherrschen die Sprache nicht vollends, was zu einer Verkümmerung des Dialogs zwischen den Menschen führt.

Ja (seufzt). Ich habe mich auch gefragt, als ich für «Music Hole» das Englische benutzte, was bleibt eigentlich noch von meiner eigenen Sprache übrig? Das kann jeder für sich mal überlegen: wenn Englisch die eigene Sprache verdrängt, welche Wörter, welche Ausdrücke bleiben dann von der eigenen noch übrig. Das finde ich spannend.

Was auffällt beim Hören von «Music Hole» ist dieses Spiel mit den Kontrasten, das Sie betreiben. Melancholie und Humor geben sich dabei die Hand. Trauriges klingt plötzlich lustig durch die Artikulation der Worte. Es scheint, als seien permanent zwei Seiten eines Menschen zu hören.


Gefühle werden meiner Meinung nach heute zu stereotyp verwendet. In der Werbung oder in