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das kulturelle überformat
Nr. 13 / 4. April 2008
#Interview mit Camille
  3/8
musik
Interview mit Camille

Camille, Ihr neues Album hat einen interessanten Titel: «Music Hole».

Weshalb finden Sie ihn interessant?

Aus zwei Gründen: Miles Davis hat einmal gesagt, die Löcher, also jene Noten, die er nicht spiele, seien genauso wichtig, wie jene, die er spiele. Und zum zweiten sind Sie auf dem Cover vor einem schwarzen Hintergrund abgebildet – das wirkt wie ein Schwarzes Loch. Das wirkt für mich wie ein Sinnbild für all die Einflüsse, die Sie in Ihrer Musik aufsaugen.


Das ist eine interessante Interpretation. Was das Schwarze Loch betrifft: die Stimme ist ja ein physisches, energetisch ungemein starkes Element. Am Anfang war mit «Hole» eigentlich nichts weiter als der Mund gemeint. Die Öffnung, aus dem all die Klänge kommen. Und weil ja «Hole» praktisch nur aus Stimmen besteht, das ganze deshalb ungemein organisch ist und in einem gewissen Sinne auch traditionell, kann «Hole» auch jenes Loch sein, um das man sich früher versammelte, um zu singen oder mit dem Körper Geräusche zu machen, zu klatschen oder zu stampfen. Die Energie entsteht dabei durch unendliche Wiederholung derselben Muster und desselben Rhythmus, wobei sich der Körper immer mehr mit dieser Energie auflädt. «Hole» ist eine Mischung aus modernen Chansons und aus eben diesen urtümlichen Sachen, die ja weitaus länger als die Popmusik existieren.

«Hole» klingt wie «Whole», womit man wieder bei all den versammelten Elementen ist.

Ein Freund sagte mir, ich solle doch das Album «Music Whole» nennen, aber das wäre mir zu offensichtlich und zu visuell gewesen. Aber es stimmt schon: irgendwie ist es wie der Versuch einer «whole world in a hole».

Wenn man sich Ihre drei Studioalben anhört, angefangen bei «Le sac des filles» über «Le Fil» zu «Music Hole», so scheint es, Sie würden an einer Reduzierung Ihrer Musik arbeiten. Wie sehen Sie Ihre persönliche musikalische Entwicklung?

Ich denke, unser ganzes Leben versuchen wir uns von überflüssigen Dingen, die uns letztlich nicht weiterbringen, zu befreien. Und ja, in meiner Musik versuche ich auch die Dinge wegzulassen, die ich nicht brauche. Je mehr dieser Dinge man loswerden kann, umso wertvoller werden die Dinge, die man zurückbehält. Auf «Music Hole» sind nur noch Stimmen und Körper zu hören. Das einzige herkömmliche Instrument, das ich noch benutze, ist Klavier. Weil es für mich den deutlichsten Kontrast zur Stimme bildet, vor allem was seine Resonanz und die harmonischen Möglichkeiten betrifft.
Zudem hat das Klavier ganz klar voneinander getrennte Noten, während in einer Stimme alles, das zwischen den Noten liegt, ebenfalls zum Tragen kommt. Stimmen sind was Flüssiges.