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das kulturelle überformat
Nr. 13 / 4. April 2008
#J.G. Ballard
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literatur
J.G. Ballard

erlebte diese Literaturgattung besonders in den USA einen Boom. Die konventionellen Space-Travel- Geschichten von Publikationen wie «Astounding Science Fiction» hätten ihn bald gelangweilt, schreibt Ballard in seinen Memoiren («Vorläufer von ‹Star Trek›» nennt er sie). Weniger populäre Zeitschriften wie «Galaxy» und «Fantasy & Science Fiction» waren mehr nach seinem Geschmack. Hier wurden Geschichten publiziert, deren Handlungen in der Gegenwart oder in der ganz nahen Zukunft angesiedelt waren und in denen tatsächlich existierende Alltagstendenzen aufgegriffen und weitergesponnen wurden. Ballard schreibt:

Ich fing an, diese Hefte zu verschlingen. Hier hatte ich eine Form von Fiktion gefunden, in der es tatsächlich um die Gegenwart ging, und die oft so elliptisch und zweideutig war wie Kafka. Es wurde darin eine Welt reflektiert, die von Werbung dominiert wurde und von demokratischen Regierungen, die immer mehr zu einer Übung in Public Relations mutierten. Es war die Welt von Autos, Büros, Autobahnen, Fluggesellschaften und Supermärkten, in der wir tatsächlich lebten, und die von fast allen ernsthaften literarischen Werken komplett ignoriert wurde. Niemand in einem Roman von Virginia Woolf musste jemals seinen Wagen volltanken. Niemand musste bei Sartre oder Thomas Mann je zum Coiffeur und dafür auch noch Geld ausgeben. Niemand in Hemingways Nachkriegsromanen machte sich je Sorgen über die Auswirkungen einer anhaltenden Bedrohung durch die Gefahr eines Atomkrieges. (…) Die Autoren von sogenannt seriöser Literatur hatten ein dominierendes Merkmal gemeinsam – ihre Fiktionen drehten sich alle vornehmlich um sie selber.