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das kulturelle überformat
Nr. 13 / 4. April 2008
#Kolumne von Ernst Molden, Wien
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gedankengang
Kolumne von Ernst Molden, Wien

Viertens: Die Sache mit dem fehlgeleiteten Glück.
Aus der sehr tief subterrestrisch gelegenen U-Bahn-Station Hütteldorfer Strasse fährt ein Lift in die Oberwelt. Der Lift hat auf beiden Seiten Türen, und wenn er in der Unterwelt Station macht, betreten die Reisenden ihn auf zwei Seiten. Irgendwann sind die in der Mitte fast zerquetscht, und dann kommt keiner mehr rein.
Vorige Woche: Eine kommt doch noch. Kunstlederjacke, fette schwarze Dauerwellen, Einkaufstaschen, entschlossenes Gesicht, Ende vierzig. Die Zunächststehende, kupferrot gefärbt,  ist eine weitere Hütteldorferin gleichen Alters, aber aus der neureichen Bourgeoisie.
Geh weida, zischt die Lederjacke.
Wohin? fragt die Kupferrote.
Zögernd schliesst sich die automatische Tür.
Auf der, naja, siebensekündigen Fahrt nach oben, beginnen die Frauen plötzlich, einander mit ihren Hinterteilen zu rempeln, hin und zurück, alle anderen Liftfahrer bekommen ein paar Rempler ab.
Endlich gehen die Türen wieder auf. Proletenwürschtl! brüllt die Lederjacke draussen.
Host kaan Spiagl dahaam? schreit die Bürgersfrau, auf einmal im selben Dialekt, zurück.

Schon wieder der Spiegel. Das ist es. In den kommenden Frühlingswochen werden wir alle in irgendeinen Spiegel schauen. Der Winter war lang.

Ernst Molden