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das kulturelle überformat
Nr. 22 / 16. März 2009
#Kolumne von Hanspeter Künzler, London
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gedankengang
Kolumne von Hanspeter Künzler, London

mündeten im vergangene Sommer darin, dass sie sich als Teilnehmerin an der indischen Version von Celebrity Big Brother engagieren liess. Sie befand sich im dortigen BB-Haus, als ihr der Befund mitgeteilt wurde, sie leide an möglicherweise fatalem Gebärmutterhalskrebs. Nun schaltete sie ihre Medienkampagne in Overdrive. Im Nu erschien ihre zweite Autobiographie – sie trug den sonoren Titel «Jade: Catch a Falling Star». Sie liess ihren Alltag für die TV-Show «Living With Jade Goody» filmen, dann gab es eine TV-Reportage mit dem Titel «Jade’s Cancer Battle». Sie eröffnete einen Schönheitssalon für Männer, «Homme Fatel». Im Dezember trat sie als böse Hexe in einer Weihnachtstheater-Produktion von Schneewittchen in Lincoln auf. Eine nationale, peinliche Berührtheit hatte Goody von der Mattscheibe gewischt. Es ist, als ob ein nationales schlechtes Gewissen sie wie Dorothy in «The Wizard of Oz» ins Zentrum des Celebrity-Schlaraffenlandes zurückbefördert hat. Peinlich berührt hatte man auf Goodys rassistische Tiraden reagiert, als sei man selber bei rassistischen Gedanken ertappt worden. Es wäre ja verlogen von der ganzen Nation zu behaupten, dass man nicht selber dann und wann gern Dinge gesagt hätte, wie sie Goody Shetty damals an den Kopf warf. Und ach, wie es gut tut, zu sehen, dass alle Menschen dich doch wieder lieben, wenn es um die Wurst geht. Es ist, als ob sich die britische Boulevardpresse kommunal in die Rolle des Priesters versetzt hätte, der am Sterbebett der Kranken dieser die Hand auf den Arm legt und Gnade vor Gott verspricht. Perfekt für den Leser: er darf an dieser Gnade teilnehmen und muss sich dafür nicht einmal in die Kirche bewegen. Goody selber hat übrigens eine recht überzeugende Erklärung für ihren Mediensturm vorgelegt. Ihre einzige Verantwortung liege nun darin, in der kurzen Zeit, die ihr noch bleibe, die Zukunft ihrer beiden Buben sicherzustellen.

Hanspeter Künzler