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das kulturelle überformat
Nr. 21 / 9. Februar 2009
#Kolumne von Hanspeter Künzler, London
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gedankengang
Kolumne von Hanspeter Künzler, London

statt des Telefons abspielen, ist das einst wichtigste Element der zwischenmenschlichen Fernbeziehung einfach so ins Abseits gestellt worden: das nicht zweckgebundene Plaudern. Niemand will lange E-Mails schreiben. Da kommt das Wichtigste drauf und nichts sonst. Keine poetischen Ergüsse oder philosophischen Tour de Force. Keine spontanen Tiraden, pathetischen Leidesgeschichten und erst recht keine atemberaubend schockierenden Beichten. Als das Telefon noch das Sagen hatte, huldigte man stundenlang dem verbalen Austausch mit KollegInnen aller Art. First but not least hielt man sich auf dem Laufenden betreffs Office-Politik. So etwas ist wichtig, sonst kann es passieren, – und ich schreibe hier aus Erfahrung – dass der Kumpel ennet des Grabens plötzlich auf der Abschussrampe steht und man mit ihm mitfliegt, wenn man nicht herausgefunden hat, dass ihn die anderen, vor allem die Frauen, alle für einen Quadratesel erachten. Ausserdem erzählte man sich am Telefon auch gern, was rundum gerade so am Tun war, angefangen beim Wetter, aufgehört bei der neuesten Liebe, und kam dabei laufend auf frische Ideen für die Arbeit.

Per E-Mail fällt das alles weg. Als E-Mail-Kommunikator unterwirft man sich unweigerlich dem brachialen Diktat des Soundbite. Zumal jeder E-Mail-Schreiber aus Erfahrung weiss, dass der Empfänger sowieso nur die ersten drei Zeilen liest, weil er für mehr keine Zeit hat. Der gewaltige Vorteil des Pendelns besteht also darin, genau die persönlichen Kontakte aufzufrischen und die kreativen Dialoge nachzuholen, die man zwei Monate lang über E-Mail hat verkümmern lassen. E-Mails sind genauso wie Facebook, Bebo und dergleichen nützlich zur Pflege von Kontakten. Aber diese Kontakte bleiben prosaisch und emotionslos. Dort aber, wo man zwischen den Zeilen Anzeichen von «sympatico» herauszulesen glaubt, wird das Bedürfnis geschürt, dieser Person auch mal anders zu begegnen, «richtig» nämlich, von Angesicht zu Angesicht, zu Kaffee und Kuchen. Auch darauf darf man sich beim Pendeln freuen. Apropos Kaffee und Kuchen: ja, die Kraft des kulinarischen