Anzeige
das kulturelle überformat
Nr. 4 / 26. April 2007
#Kolumne von Markus Schneider, Berlin
  2/4
gedankengang
Kolumne von Markus Schneider, Berlin

Ego heisst auf berlindeutsch Icke. Und so wie das Mauer-Berlin immer auf recht alberne Art – begründet nur durch Sperrstundenlosigkeit und dank niedriger Lebenshaltungskosten gefahrlose Experimentalexistenzen – den Anspruch auf New York-Ähnlichkeit erhob, so wird nun das ganze Icke-tum aufgeboten, um sich als Schwermetropole und zudem Kultur- und auch Pophauptstadt zu feiern. Seit Jahren lockt man hier die bröselnde Musikindustrie an – Sony, Universal, MTV, die in Köln gestorbene Messe Popkomm – die sich die grosszügigen Vergünstigungen nicht entgehen lässt, aber statt Arbeitsplätze zu bringen, die jeweiligen Umzüge zur praktischen Verschlankung nutzt. Daher steht im fetten Universalgebäude eine Etage ganz leer, Sony ist schon wieder abgerückt und MTV hat die Hälfte der Belegschaft gefeuert, weil man zum Abspielen von Klingeltonwerbung keine Leute braucht. Berliner Prestigesucht funktioniert meist als kopfloses Anspruchsdenken, um weiterhin an Staatsgelder zu kommen, die wiederum traditionell für Unsinn oder Korruption verpulvert werden, als wollte man mit afrikanischen Staaten konkurrieren. Dafür gibt es dann immer so ulkige Politikerdarsteller. Früher hiessen sie Diepgen und Momper und nun Klaus Wowereit, der nichts dagegen hat, dass der Volksmund, also die Boulevard-Blätter Bild und B.Z., ihn Wowi nennt. Wowi ist der erste Kuschelbürgermeister Deutschlands, weshalb er im Moment hinter dem global wirkenden Berliner Kuscheleisbären Knut ein wenig verblasst.

Vielleicht schreibt Wowi deshalb jetzt seine Biografie. Das interessiert natürlich insofern, als der Mann ja vor allem für seine Partytauglichkeit und Homosexualität bekannt ist und ansonsten gerne mal mit Desiree Nick knutscht. Desiree Nick – die meisten werden es nicht wissen – verkörpert die Berliner Schnauze wie kaum eine zweite lebende Person zur Zeit. Stets liegt ihr etwas total Freches auf den Lippen, meist zu brennenden Themen wie dem femininen Alterungsprozess, manchmal aber auch zur Kirche – sie hat mal Theologie studiert – oder zu einer lippenvergrößerten,