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das kulturelle überformat
Nr. 10 / 4. Dezember 2007
#Kara Walker
  4/8
kunst
Kara Walker

hinein. Sein Schatten wird Teil der dargestellten Szene. Plötzlich findet er sich inmitten all dieser Täter und Opfer wieder, in einer Szenerie, der er sich nicht entziehen kann und der er sich entweder widerwillig oder gleichgültig stellt. Dabei ist es durchaus im Sinne der Künstlerin, ein Schamgefühl beim Betrachter zu provozieren. Wenn Walkers Werk von etwas handelt, dann von der Scham oder dem Mangel an Scham. «Noch immer dient jeder Schwarze als Projektionsfläche von Pathologien aus der Zeit der Sklaverei», meint Kara Walker, die diese rassistischen und sexistischen Stereotype derart direkt verbildlicht, dass ältere afro-amerikanische Künstlerinnen ihr unterstellen, sie fördere eben diese. Die Konzentration der Diskussion auf Walkers Verwendung von Stereotypen verstellt indes den Blick auf wichtigere Aspekte ihrer Arbeit.

Gerade diese Schematisierung und Abstraktion des Scherenschnitts ist alles andere als simplifizierend. Die Schwärze des Schattenrisses wird als sublime Leerstelle in Szene gesetzt, welche die dunklen Kapitel der Geschichte und Erinnerungslücken einer genauso individuellen wie kollektiven Geschichte symbolisiert; die stilisierte Formensprache ist eine Möglichkeit und Aufforderung, das Unaussprechliche, von Ängsten und Traumatas begleitete Dunkel, hervorzukehren, um sich so letztlich «der Schatten der Vergangenheit» zu bemächtigen.


Kara Walker, Untitled (Final Solutions), 1994
ink on paper, 9 3/4 x 6 1/2 in. (24.8 x 16.5 cm)
Collection Walker Art Center, Minneapolis
Miriam and Erwin Kelen Acquisition Fund for Drawings, 1996
Photo courtesy Walker Art Center