Andererseits ist der Tourist natürlich immer irgendwie schuldig. Daran lag es aber nicht, dass ich ins Wasser bin. Ich hatte übers Jahr zuviel schlechte Musik gehört und stellte mir als den wohl stillsten Ort der Welt die Gegend zwanzig bis dreißig Meter unter dem Meer vor. Das war ein Irrtum. Der Sauerstoff blubbert, die Boote brummen und überall pocht und gurgelt es, selbst einige Fische machen angeblich Lärm. Trotzdem ist es natürlich ein unwahrscheinlicher und höchst erholsamer Effekt, seltsam körperlos wie ein Dub-Bass durch die Gegend zu treiben.
Ganz ohne Musik geht es aber zum Glück nirgendwo auf der Welt. Nicht nur die Reggaebands und die Dancehallsänger der Disco – Negril ist dafür ebenso wie für seine Partys bekannt – habe ich kontrolliert, sondern auch das reichliche TV-Programm voll Reggae. Wobei es ziemlich überraschend war, dass es einen Lokalsender gab, der vor allem schnell produzierte Musikclips zeigte, die oft wie Billigversionen der T&A-Clips des Gangsta-Hip-Hop aussahen. Zwischen den Clips wurde für Clubs und Restaurants geworben und dabei per Laufband das wöchentlich wechselnde Frauenangebot der einschlägigen Orte gepriesen. Den Zusammenhang von Reggae/Dancehall und Sexualität müsste man vielleicht mal gründlicher unersuchen. In der Disco jedenfalls gab es eher Roots-Reggae. Im Sexclub, den Kenroy als Alternative zum Discodefilee aus Drogenhändlern und Prostituierten vorschlug, wummerte knüppelharte Dancehall. Es war gähnend leer, eine Dame wand sich unverdrossen um eine Stange und drei andere sassen an einem kleinen Tresen. Als wir den Raum betraten, kreischten sie. Ich floh sofort, sehr zur Belustigung meines Begleiters.
Zurück in Berlin war es dann kalt. Zur Einstimmung auf den Winter fuhr ich ein paar Tage in den Schnee, zu den Bludenzer Tagen für zeitgemässe Musik. In den Bergen ist Kälte irgendwie nie so kalt wie in der Stadt. Vielleicht weil sie dort hingehört, wohingegen Städte gefälligst von der Natur in Ruhe gelassen werden und stets