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das kulturelle überformat
Nr. 2 / 26. Februar 2007
#Interview John Cale
  4/7
musik
Interview John Cale

ich diese Konzepte heute in Funk-Grooves unterzubringen versuche. Und das ist für mich etwas sehr Aufregendes.

Sie arbeiten zurzeit an einem Filmdrehbuch, in dem es darum geht, wie der junge Mozart im New York der sechziger Jahre auftaucht.
Die Idee hat viel mit meinen eigenen Erfahrungen zu tun, wie ich selber als klassisch ausgebildeter Musiker nach New York gekommen bin. Das Drehbuch ist also so etwas wie eine kaschierte Autobiographie. Aber ich muss noch intensiv daran arbeiten. Ich habe viele Dialoge verfasst und gewisse Szenen festgelegt, aber diese Fragmente stehen noch nicht in einem klaren Zusammenhang. Aus diesen Vorlagen lässt sich noch kein Film machen.

Woher kommt diese Begeisterung für das Medium Film? Das ist doch etwas völlig Neues für Sie.
Nicht wirklich. Ich habe mich schon immer für Film interessiert und viele meiner Songs haben ja auch etwas Cineastisches an sich. Zudem fasziniert es mich, wie Dialoge im Kontext eines Films funktionieren, etwa bei Regisseur Sam Peckinpah, der die Moral fast schon wie eine Figur auf die anderen Charaktere einwirken lässt.

 

Trotzdem ist es ein weiter Sprung vom Songwriter zum  Drehbuchautor.
Das Medium kann der Klebstoff sein, der einem Gespräch seinen Sinn verleiht. Beispielsweise

wie in einem Theaterstück von Harold Pinter: der erzeugt eine gewalttätige Atmosphäre, indem er seinen Figuren ganz wenige Worte in den Mund legt. Ich liebe es, in Restaurants herumzusitzen und in die Gespräche fremder Menschen hinein zu hören. Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis für Dialoge und schreibe diese auch auf. Besonders jene, von denen ich eigentlich keine Ahnung habe, um was es geht. Darauf mache ich mir meinen eigenen Reim.

Tom Waits behauptet, das US-amerikanische Englisch würde sich besser zum Songschreiben eignen als das britische, weil es immer wieder von neuem geschmiedet wird und so neue Slang-Ausdrücke hervorbringt. Würden Sie dem beipflichten?
Ich weiss nicht, ob das Amerikanische wirklich über eine breitere Palette an Worten und Redewendungen verfügt als das britische. Ich denke eher, dass die Amerikaner sich auf bessere Kenntnisse der verschiedenen Sprachvarianten berufen können, wie sie in den USA im Umlauf sind. Dort weiss man nämlich, wie Englisch in der Bronx oder in Louisiana gesprochen wird. In Gross- britannien hat man hingegen keine Ahnung, wie Englisch in Newcastle oder auf den Shetland-Inseln gesprochen wird. Was aber beim Songwriting wirklich zählt, ist die Energie, mit der man die Sprache anpackt. Man muss sie regelrecht herumwirbeln – wie das Dylan Thomas in seinen frühen Gedichten getan hat. Oder wie das Thomas Pynchon in seinem jüngsten Roman «Against The Day» tut.