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das kulturelle überformat
Nr. 2 / 26. Februar 2007
#Kolumne von Hanspeter Künzler, London
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gedankengang
Kolumne von Hanspeter Künzler, London

Tod den Autos!

London wie Venedig – nur statt Kanälen leere Strassen, auf denen hie und da ein Gondoliere, beziehungsweise Taxifahrer, ein enthusiastisches «O Sole Mio» in den blauen Himmel schmettert. Welch eine Traumvorstellung! Und seit dem 19. Februar noch ein bisschen näher gerückt. Denn seit diesem Tag ist das mautpflichtige Gebiet der Innenstadt verdoppelt worden. Nicht mehr nur die Börsenmakler, die partout mit dem Bentley in die City fahren müssen, Werbeleute, denen die Gassen von Soho ohne Porsche zu stinkig wären, und alte Gräfinnen, die ohne das Kaffeekränzchen bei anderen alten Gräfinnen in Mayfair nicht auskämen, müssen jetzt die acht Pfund blechen, die es kostet, um das Stadtquadrat zwischen Park Lane und The City, Euston Road und Southwark zu befahren. Vier Jahre nach der Einführung der ersten Mautzone wird nun auch das westlich anliegende Gebiet bis an die Grenze von Shepherd’s Bush, Hammersmith und Fulham gebührenpflichtig.

Acht Pfund – von morgens um sieben Uhr bis abends 18 Uhr. Zahlen kann man per Website, Telephon, SMS oder Maschine am Strassenrand. Wer’s nicht tut, zahlt 100 Pfund Busse (50 Pfund innerhalb von vierzehn Tagen, 150 Pfund nach 28 Tagen). Gondoliere ahoi! Denn das ist wahrer Fortschritt. Ein Stadtpräsident – Ken Livingston – der keine Angst hat, profund unpopuläre Massnahmen zu ergreifen – aber auch schlau genug ist, diese geschickt genug einzuführen, damit es nicht zu einer Revolution kommt. Vivat, Ken!

Dabei ist das neue Mautgebiet vom Charakter her grundlegend anders, als das Originalquadrat. In der City, in Soho, den relevanten Abschnitten von Southwark sowie in Mayfair stehen die Geschäftshäuser Schulter an Schulter, aber es wohnen relativ wenig Menschen da. Und die Leute, die da wohnen, wären sowieso blöd, in ein Auto zu steigen. Schulen, Shops und Pubs sind zu Fuss