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das kulturelle überformat
Nr. 1 / 25. Januar 2007
#Interview
  4/6
dossier: Tom Waits
Interview

ganzen Nachmittag für ihn frei nehmen. Er erinnert sich nämlich an jedes Detail an jedem Auto, das ihm je gehört hat. Der vergisst nichts, es ist faszinierend. Ich war einfach dabei, ihn nachzumachen und meine Frau hat mein Gelaber auf der Stereoanlage im Auto festgehalten.

«Children’s Story» finde ich hingegen ziemlich deprimierend. Dort haben Sie den Augenblick eingefangen, wo ein Kind seine Unschuld verliert und die Dinge als so kaputt erkennt, wie sie in Wirklichkeit auch sind.
Das war gemein von mir, das gebe ich zu. Aber ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, so etwas zu machen. Und ich löse die ganze Gemeinheit auch ein bisschen auf, indem ich am Schluss lache. Meine Kinder wissen schon, wie ich halt so bin, und sie haben alle den gleichen finsteren Humor wie ich. Der kommt bei jeder Mahlzeit auf den Tisch.

Absolut überraschend war für mich «The Road To Peace». So unmittelbar politisch waren Sie noch nie.
Ich habe einen Artikel in der New York Times gelesen, in dem es um ein Selbstmordattentat auf einen Bus in Israel ging. Ich musste etwas darüber schreiben, weil ich mich schuldig gefühlt hätte, wenn ich den Artikel einfach zum Altpapier gelegt hätte. Aber es ist nicht ganz einfach, sich in einen fremden Konflikt einzumischen. Ich wollte nicht für die eine oder die andere Seite Partei ergreifen, aber das lässt sich kaum vermeiden, wenn man als

Journalist oder Musiker über etwas wie den Nahen Osten schreibt.

In «The Road To Peace» machen Sie aber unmissverständlich klar, wer für den ganzen Schlamassel verantwortlich ist: die Politiker und Terroristen. Nicht das Fussvolk, das tagtäglich unter diesem Konflikt zu leiden hat.
Ich wollte eigentlich aus der Perspektive eines Kindes erzählen, das miterleben muss, wie seine Eltern streiten und sie anfleht, endlich damit aufzuhören. Die meisten Konflikte gehen auf ganz kleine Ereignisse in der grauen Vorzeit zurück und es beelendet mich immer wieder von Neuem, wie rachsüchtig wir Menschen doch sind. Wie sagt man doch? Rache ist ein Gericht, das man besser kalt verspeist.

«The Road To Peace» ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie Sie Informationen und Details in einen Song packen können. So viel Dichte bringt kein europäischer Songwriter zustande.
Das hat wohl auch damit zu tun, dass das amerikanische Englisch immer wieder  geschmiedet wird und sich laufend zu einer neuen Sprache weiterentwickelt. Bei diesem Prozess spielt Musik wie Blues, Jazz und Hip-Hop natürlich eine wichtige Rolle, weil die Songtexter immer auf der Suche nach neuen Ausdrücken und Begriffen sind, die nicht bloss die richtige Bedeutung haben, sondern auch den passenden Sound mitbringen. Das fällt mir immer wieder ein, wenn ich selber Songs