Anzeige
das kulturelle überformat
Nr. 1 / 25. Januar 2007
#Interview
  4/7
dossier: Norah Jones
Interview

Einige Leute werden den Text sicher falsch verstehen und sich darüber aufregen, aber so schlimm wie bei den Dixie Chicks wird es sicher nicht werden. Trotzdem: ein bisschen habe ich mir schon Sorgen darüber gemacht, wie «My Dear Country» aufgenommen werden könnte. Aber dann dachte ich mir, dass ich doch von meinem Recht zur Meinungsfreiheit Gebrauch machen darf. Und ich versuche den Leuten ja auch nicht, meine persönliche Meinung aufzudrängen. Ich weiss ja, wie ich selber reagiere, wenn mir jemand etwas vorpredigt: auch wenn ich grundsätzlich mit dem einverstanden bin, was er da sagt, geht mir doch immer der Laden runter.

Denken Sie, dass ein Künstler immer die Verantwortung hat, politisch Stellung zu beziehen?
Überhaupt nicht. Wenn etwas Schlimmes in der Welt passiert, dann ist doch das Letzte was wir wollen, dass alle darüber schreiben und singen. Ein bisschen Ablenkung muss schon sein. Es sollte also dem Künstler überlassen sein, ob er Stellung beziehen will oder nicht. Ich verspüre selber kein brennendes Bedürfnis, immer Flagge zeigen zu müssen. Aber wenn ich die Lösung auf all unsere Probleme hätte, dann würde ich sie den Leuten natürlich um die Ohren schlagen.

Lee Alexander hat nicht nur an den Songs mitgeschrieben, er hat das Album produziert und spielt ja auch in Ihrer Tourband. Ist es nicht problematisch, die Grenzen zwischen

dem Privat- und dem Berufsleben so zu verwischen?
Ich habe keine Probleme damit, weil wir schon seit sieben Jahren ein Paar sind und selber nicht mehr so recht wissen, wo der eine aufhört und der andere beginnt. Dass Lee in meiner Band ist, hat ja auch Vorteile: wenn er nicht mit auf Tournee käme, wäre es ziemlich schwierig für uns, unsere Beziehung aufrecht zu erhalten. Überhaupt habe ich sehr viel Glück mit meinem Umfeld: meine Band besteht ja aus lauter guten Freunden. Das ist ein richtiger Segen.

Hat das nicht auch Nachteile? Schliesslich sind Sie die Chefin und müssen der Band auch mal den Marsch blasen, wenn die Dinge nicht so laufen, wie Sie sich das vorstellen.
Klar muss ich hin und wieder mal sagen, was Sache ist, aber ich bin keine Sklaventreiberin, die immer die Peitsche knallen lässt. Wenn wir an einem neuen Stück arbeiten, kann es schon vorkommen, dass ich ungeduldig werde. Aber das liegt oft daran, dass ich selber nicht immer weiss, in welche Richtung das Stück gehen soll, bis sich die zündende Idee endlich anmeldet. Aber bloss weil man Bandleader ist, heisst das nicht, dass man ein Ekel sein muss. Besonders bei meinen Musikern ist das nicht nötig: sie arbeiten hart und sind auch ganz vernünftige Menschen. 

Sie und Lee Alexander haben «Not Too Late» bei sich in Ihrem Heimstudio eingespielt. Wie ist das so, in den eigenen vier Wänden