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das kulturelle überformat
Nr. 1 / 25. Januar 2007
#Interview
  3/7
dossier: Norah Jones
Interview

steht die Interpretation viel mehr im Mittelpunkt als die Komposition. Während meiner ganzen Schulzeit habe ich einen einzigen eigenen Song zustande gebracht, und weil der so miserabel war, habe ich mir damals geschworen, nie wieder einen Song zu schreiben. Als ich dann nach New York zog, habe ich die Lust am Schreiben wiederentdeckt, aber mit dem ganzen Erfolg bin ich kaum noch dazu gekommen. Kurz: es bereitet mir grossen Spass, Songs zu schreiben, aber ich sehe mich in erster Linie als Interpretin. Darin liegt meine eigentliche Stärke. Aber ich will ganz klar weiter machen mit dem Komponieren und hoffe auch, dabei immer besser werden zu können.

Wie gehen Sie ans Songschreiben heran?
Das kommt ganz auf den Song an, oft kommen mir die ersten Ideen am Klavier. Für mich ist allerdings wichtig, dass sich Melodie und Text gleichzeitig anmelden. Was nicht heisst, dass ich den ganzen Text in einem Atemzug hinknallen muss, aber wenn ich keine Ahnung habe, in welche Richtung der Text sich entwickeln soll, fällt es mir im Nachhinein schwer, die richtigen Wörter zur Musik zu finden. Aus diesem Grund habe ich viele Stücke daheim herumliegen, die eigentlich fertig komponiert sind, aber keinen Text haben.

Auf «Not Too Late» sind auch einige politische Songs zu finden. In «My Dear Country» reden Sie von einem zwiespältigen Patriotismus, in «Sinking Soon» geht es um

eine dekadente Elite, die den Tanz auf dem Vulkan vorführt. Hat sich ihre Weltsicht grundsätzlich verdüstert?
Meine ganzen Sorgen rund um die Politik, die Gesellschaft und die Umwelt sind sicher in dieses Album eingeflossen, aber das bedeutet nicht, dass ich ein düsterer Mensch geworden bin. Ich schaue mir die Nachrichten im Fernsehen einfach öfter an als früher, das ist alles. Es gibt schon Leute, die in ihrer ganz eigenen Welt leben und sich nicht von fremden Krisen und Ängsten beirren lassen, aber so etwas finde ich irgendwie merkwürdig. Man kann sich doch nicht einfach von der Aussenwelt abschotten, nur weil sie einen deprimiert.

Reden wir doch über «My Dear Country». Im Text singen Sie, dass Ihnen Wahlen Angst machen, aber was macht Ihnen denn Angst? Die miesen Politiker oder die Bevölkerung, die womöglich den falschen Präsidenten wählt?
Das Wahlsystem in den USA ist – sagen wir mal – mangelhaft. Darum ging es mir in diesem Satz. Aber ich hoffe, dass Amerika allmählich wieder auf einen guten Weg kommt.  Über unsere Politiker könnte ich stundenlang wettern, also lassen wir das Thema lieber.

Wie werden ihre politischen Songs in den USA aufgenommen? Befürchten Sie, wie die Dixie Chicks an den Pranger gestellt zu werden?