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das kulturelle überformat
Nr. 7 / 4. September 2007
#Interview mit Marcus Miller
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musik
Interview mit Marcus Miller

konnte es schon mal Ärger geben, auch eine Schlägerei, wenn man sich nicht aufs Essentielle beschränkt hat.

Da gab es tatsächlich Gewaltandrohungen?

Aber sicher. Wehe dem Musiker, der die Soli der anderen Bandmitglieder unterwanderte oder in den Gesang reinspielte. Dazu kommt, dass Basssoli beim Publikum besonders unbeliebt sind: wenn die Leute tanzen, dann wollen sie doch nicht, dass der Typ, der für den Groove zuständig ist, sich für einige Minuten in den oberen Bereich seines Griffbretts verabschiedet. Darum sind meine Soli eigentlich nur glorifizierte Basslinien, die den Groove auch dann weiterführen, wenn ich etwas Komplexes wage.

Wurden Sie denn schon aus einer Band geschmissen, weil Sie zu viele Noten spielten?


Ich selber nicht, aber ich habe in der Bronx miterlebt, wie das passiert ist. Wenn ein Musiker nicht gewillt war, Teil eines Teams zu sein, musste der Bandleader nur mit den Fingern schnippen, um einen Ersatzmann zu finden. Die schonungslose Konkurrenz unter den New Yorker Musikern war mir eine harte, aber auch eine gute Schule. Und ich hatte das besondere Glück, schon sehr früh unter strengen Bandleadern zu arbeiten: einer von ihnen hat mich und Omar Hakim mal bei einer Probe dazu vergrault, einen einzigen Groove

ganze 45 Minuten zu halten, während er raus ging, um seine Einkäufe zu erledigen. Omar und ich waren ja noch Teenager, wir haben zwischendurch schon mal angehalten oder herumgeblödelt, aber als wir hörten, wie der Typ mit seinem Auto vorfuhr, waren wir wieder im ursprünglichen Groove drin. Das war Mitte der siebziger Jahre, damals war es unser Job, die Leute zum tanzen zu bringen. Und wenn uns das mal nicht gelang, konnte es schon auch vorkommen, dass wir am Ende des Auftritts keine Gage erhielten.

Dieser Sinn fürs Teamwork überrascht. Schliesslich haben Sie schon während Ihrer Schulzeit andere Bassisten zu Duellen in der Mensa herausgefordert.

Diese Erfahrungen in den New Yorker Clubs haben mich stark geprägt. Darum ist mir die eigene Disziplin sehr wichtig – sie hilft mir, die Party am Laufen zu halten. In meiner Musik darf nichts passieren, dass einen Tänzer aus der Bahn werfen könnte. Viele junge Bassisten haben diese Sensibilität nicht und slappen einfach drauflos, wenn man ihnen die Chance dazu gibt, aber ich behalte auch bei meinen Soli die Tanzfläche stets im Visier. Das ist etwas, das mich von vielen anderen Musikern unterscheidet.

Bei «Free» ist ein klarer Hip-Hop-Einfluss herauszuhören. Und trotzdem ist dieser Brückenschlag bei weitem nicht so angestrengt wie die Versuche anderer