Andrea Levy
                          © Angus Muir

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das kulturelle überformat
Nr. 7 / 4. September 2007
#Small Island
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dossier: Reggae
Small Island

Drei Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs ist London immer noch am Aufräumen, auf der Suche nach der einstigen Normalität und erlebt ständige Veränderung. Paare finden sich wieder, Menschen kehren zurück an ihre Wohnorte, an ihre Arbeitsplätze; andere bleiben weg, für immer. An der Nevern Street wartet Queenie Bligh auf ihren Mann Bernard, der in Indien vom Krieg verschluckt worden ist; sie beginnt, die Zimmer in ihrem baufälligen Haus zu vermieten – auch an Schwarze, denen sonst kaum jemand eine Bleibe bietet. Einer der Untermieter ist Gilbert Joseph aus Jamaika. Er hat im Krieg als Fahrer für die Royal Air Force gedient und sieht seine Zukunft eher hier, im Mutterland des British Commonwealth, als auf seiner sonnigen Insel in der Karibik. Gilbert Joseph erwartet seine Braut, die junge Lehrerin Hortense, die ihn eigentlich nur geheiratet hatte, um Jamaika zu entkommen und im verheissungsvollen Westen zu landen. Die Ernüchterung folgt für die junge Frau sehr schnell: England präsentiert sich neblig und kühl, die Wohnung, die sie erwartet hatte, entpuppt sich als schäbiges Einzelzimmer mit Kochplatte in Queenies Haus. Und – am dramatischsten – die Einwohner Englands heissen die Neuankömmlinge aus den Kolonien nicht gerade willkommen, auch wenn sie wie Gilbert Joseph für die Royal Army gedient oder wie Hortense eine gute Ausbildung genossen haben.

Andrea Levy entführt in ihrem vierten Roman «Eine englische Art von Glück» (Original «Small Island») in ein wenig bekanntes Stück englischer Geschichte – in jene schwierigen Jahre vor der Unabhängigkeit der meisten britischen Kolonien, als deren Bürgerinnen und Bürger anfingen, Forderungen an das Mutterland zu stellen. Forderungen, die zumeist nicht erfüllt werden. Andrea Levy erzählt diese Geschichte aus vier Perspektiven: aus der Sicht von Hortense, von Gilbert Joseph, von Queenie und schliesslich – was für ein dramatischer Moment – aus jener des in Indien wieder aufgetauchten Bernard, der in den Kolonien vor allem gelernt hat,