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das kulturelle überformat
Nr. 7 / 4. September 2007
#Bob Marley
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dossier: Reggae
Bob Marley

Es ist ein fürwahr kurioser Sachverhalt, dass die Platten, die Bob Marley zuerst mit, dann ohne die Wailers, an die vorderste Front des popmusikalischen Heldentums beförderten, bei ihrem Erscheinen von der Reggae-Szene selber, die sie hervorgebracht hatte, kaum angehört, höchstens aus der Ferne respektiert wurden. In der Tat gibt es noch heute Puristen, die argumentieren, dass Reggae-Alben eine Pervertierung der Musik darstellten, dass das wahre Medium des Reggae die Single sei und bleibe.

Diese Überzeugung ist so abwegig nicht. CDs, die von einem Künstler vor dem Beginn der Aufnahmen als Alben konzipiert werden, sind heute seltener denn je. Häufiger handelt es sich bei den Alben der Stars, die in den Regalen der konventionellen Plattenläden stehen, um Sammlungen von Singles, die entweder der Künstler selber oder – genau wie in den ganz alten Tagen – ein Produzent, der ihn für die Aufnahmen angeheuert hatte, über die Monate hinweg zusammengesammelt hat.

Das englische Reggae-Label Greensleeves und das amerikanische Pendant VP Records, die in den achtziger und neunziger Jahren das Dancehall-Publikum in Europa und in den USA mit Alben von alten und neuen Stars versorgten, veröffentlichen heute vornehmlich Sammel-CDs – entweder bestehend aus Hits oder aber von verschiedenen Versionen des selben Riddims. Die Gründe für die Popularität der Single lagen in den Anfängen des Reggae ebenso auf der Hand wie heute: Ska, Bluebeat, Reggae und Ragga waren und sind in ihrer Essenz Disco-Musik. Musik also, die von den Disc Jockeys der Sound Systems in Dancehalls oder Hinterhöfen kredenzt wurde. DJs benötigten Singles, nicht Alben. In der Rockszene andererseits hatte sich just zu der Zeit, als Bluebeat und Reggae zur ersten Blüte fanden, die Überzeugung breit gemacht, dass blosse Singles höchstens für trivialen Pop gut seien.