Wie hat man sie uns eingetrichtert, diese grossen Werke der Literatur. Jene Meisterwerke, auf deren Lektüre man nicht verzichten könne. Jene Bücher, in denen mehr drin steht, als bloss eine Erzählung. Ansätze zur Erklärung der Welt, in der wir leben. Fundamentale Einsichten zur menschlichen Existenz. Vielleicht sogar der Sinn des Lebens.
Wir durften – und in vielen Fällen mussten – uns durch die Grossmacht des geschriebenen Wortes lesen. Lernten durch «Faust» den Teufel kennen, litten mit «Werther», mühten uns gemeinsam mit Thomas Mann auf den «Zauberberg», trommelten die «Blechtrommel mit Grass’ Oskar Matzerath (und scheiterten dann kläglich an «Der Butt»), suchten Hand in Hand mit Proust die verlorene Zeit, versuchten die Eigenschaftslosigkeit von Musils Mann zu ergründen, litten uns mit Josef K durch den «Prozess», jagten mit Melville «Moby Dick» und stehen noch heute verzweifelt vor einem «Ulysses», dessen zwei- und dreideutige Sprachspielereien sich der konsequenten Übersetzung widersetzen, so dass uns der von Joyce geschilderte Tag im Leben des Leopold Bloom wohl in seiner ganzen Dimension immer verschlossen sein wird.
Aber der Grossteil all dieser Werke und die Dutzenden mehr, die es noch aufzuzählen gäbe, wurden geschrieben, als die Mehrheit der heute lebenden Menschen noch gar nicht das Licht der Welt erblickte. Weshalb, so fragte man sich, muss man eigentlich immer den kanonisierten Rat der Ältesten befragen, um Antworten auf die Welt zu erhalten. Und nun, so scheint es, haben wir endlich auch unsere Weltliteratur. Bolaño hat Jahrgang 1953, Wallace 1962. Und ihre Werke lassen sich nun endlich auch auf deutsch entdecken.