«hommage à franz kafka» (1976)
Aus: pavel schmidt, «bezeichnungen und
beziehungen», kehayoff verlag münchen.
41 Jahre jung ist er gestorben. Er war Jurist, Versicherungsbeamter, Schriftsteller. Hat bei den Eltern gewohnt, war dreimal verlobt und und hat dreimal das Meer gesehen. «Ich bestehe aus Literatur, ich bin nichts anderes», schrieb er einmal.
Sein letzter Wille sollte Max Brod, sein bester Freund, ihm erfüllen: den ganzen Nachlass «restlos und ungelesen» zu verbrennen. Inklusive Manuskripte und Briefe in fremdem Besitz. Brod erfüllte ihm den Wunsch nicht. Hätte er die Anweisungen befolgt, wir wären vielleicht Ahnungslose geblieben. Zu Lebzeiten veröffentlichte er Geschichten wie «Das Urteil», «Der Heizer», «Die Verwandlung», «In der Strafkolonie», «Ein Landarzt» oder «Ein Hungerkünstler». Zuviel, um nicht berühmt zu werden. Aber zuwenig, um uns seinen literarischen und geistigen Kosmos zu offenbaren.
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Was um Himmels Willen soll man noch über Kafka schreiben? Ein junges Leben, von der Tuberkulose kurz vor dem 41. Geburtstag genommen, und bereits tausendfach beschrieben, erläutert, analysiert, hinterfragt und abgefeiert. Wenn der Biograf Reiner Stach dann endgültig Kafkas Leben in drei monumentalen Bänden bis ins letzte Detail offengelegt hat, dann werden die Buchseiten über Kafka längst seine eigene Existenz überragen. Eine Existenz, die sich hinter dem Werk verstecken will. «Ich bestehe aus Literatur, ich bin nichts anderes». Dieses Zitat muss wiederholt sein. Lasst ihm – ist man versucht zu sagen – sein Leben. Wir haben doch seine Literatur!