Anzeige
das kulturelle überformat
Nr. 16 / 3. Juli 2008
#Chinas Musikszene
  6/7
dossier: China
Chinas Musikszene

Als explizite Gegenbewegung zu diesem Eskapismus haben seit Mitte der neunziger Jahre die härteren Spielarten des Rock von Punk über Grunge bis zu Metal an Popularität gewonnen, insbesondere in der nördlichen Hälfte des Landes und vor allem im Rockzentrum Peking. Der harsche Sound erscheint offenbar manchen chinesischen Jugendlichen passender zum urbaner werdenden Leben als die seichten Pop-Balladen. Zum anderen haben viele Rockmusiker das lange tabuisierte Streben nach Individualismus und sexueller Selbstbestimmung thematisiert.

Es wäre aber eine westlich verklärte Sichtweise, das gewachsene Interesse der chinesischen Jugend für Rockmusik als Ruf nach politischen Freiheiten zu werten. Schon das Stück «Nothing To My Name» von Cui Jian wurde Ende der achtziger Jahre zwar zur Hymne der desillusionierten Jugend, insbesondere während der Studentenproteste von 1989. Doch wehrte sich der Musiker gegen das Image, er sei ein rebellischer Dissident, der für die Demokratie kämpfe. Er vertritt die Auffassung, dass sich gesellschaftliche Veränderungen erst einstellen können, wenn sich die Menschen selbst geändert haben.

Und wie der Titel seines vierten Albums «The Power Of The Powerless» von 1998 andeutet, beklagt Cui Jian zwischen den Zeilen mehr die negativen Auswirkungen des chinesischen «Wirtschaftswunders» auf die Gesellschaft und das Individuum, also die zunehmende Dominanz des Geldes.