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das kulturelle überformat
Nr. 32 / 10. August 2010
#Interview: M.I.A.
  7/8
musik
Interview: M.I.A.

Aber: Ich hatte noch nie so etwas wie ein Heim, Stabilität und all das. Es war interessant und schön, irgendwo anzukommen und einfach (seufzt) die Taschen abzustellen.

Wirkt denn die Stadt auf Ihre Arbeit?

Ich versuche, mich nicht in LA zu verzetteln. Die Generation Ed Hardy (erfolgreicher Tattookünstler und Modedesigner, Anmerk. des Verf.) dominiert das Bild. Als Michael Jackson starb, war das schon total irre – das Idol, das mich von Sri Lanka an getragen hatte. Jedenfalls hat Michael Jackson bei Ed Hardy gemietet, so reich ist der, ihm gehört die Stadt, die sich daher visuell in dieser Tattoo-artigen Phase befindet. Ich versuche, das einigermassen zu ignorieren. Du bist, was du isst, und ich will das nicht in mich aufnehmen. Aber ich wünschte, ich wäre früher schon mal hingekommen.

Immerhin sieht ihre Welt im aktuellen Video «Born Free», gedreht von Romain Gavras, dem Sohn des berühmten Politfilmers Constanin Costa-Gavras, ziemlich grimmig aus. Darin werden rothaarige Menschen verhaftet, abtransportiert und getötet. Zu detailreichen Bildern, die schon einen soliden Skandal verursachten.

So grimmig habe ich die Welt wohl gesehen. Aber zum Beispiel sitzt gerade dieser Wiki-Leaks-Mann (US-Geheimdienstler

Bradley Manning, der Informationen über den Tod von afghanischen Zivilisten öffentlich verbreitet hat, Anmerk. des Verf.), hinter Gittern, weil ihn einer denunziert hat. Er zeigt der Welt, was los ist und wird als Bedrohung empfunden, ist also so etwas wie ein Terrorist. Wir sehen uns Videomaterial von Leuten an, auf die man beim Einkaufen schiesst. Ich habe einige Zeit vor «Born Free» Videos von Erschiessungen in Sri Lanka getwittert und niemand hat was gesagt, nicht mal meine Fans waren geschockt. Dann drehe ich ein Video mit etwas Kunstblut und alle sind aufgebracht, angeekelt und schockiert. Überall auf YouTube gibt es wesentlich härtete, echte Sachen und wir empfinden das höchstens als irgendwie uncool oder nicht trendy...

Aber Sie wissen als visuelle Künstlerin doch schon, wie solche knallharten Bilder, unterlegt von einem nicht weniger krassen Sample der Elektro-Postpunks Suicide, wirken und rechnen mit der Provokation, oder?

Wieso denn? Es basiert doch sogar auf einer wahren Geschichte. Romain, mit dem ich eigentlich schon für «Paper Planes» (M.I.A.s erfolgreichster Song) arbeiten wollte, kam nach LA, als ich «Born Free» gerade fertig hatte, und er fand ihn gut. Da hab ich einen Anruf bekommen von einer Cousine, die mir diese Geschichte erzählt hat. Ich war einfach nur geschockt. Gerade hatte die Regierung Sri