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Nachrichten aus der grossen Geisterstadt Wien (18)
Wählen
Es gibt eine Volksschule in unserer unmittelbaren Nähe. Mein Erstgeborener, bislang einziges Schulkind in unserem Verbund, geht nicht dorthin. Seine Schule ist recht neu und recht integrativ, liegt aber ein gutes Stück weit entfernt, vier Busstationen Richtung Vorstadt. Es gibt dort einen Flohsack voller wilder Kinder, viele unermüdliche Lehrkräfte und einen so zerstreuten wie blitzgescheiten Direktor, den seine Schüler Edi nennen dürfen.
Damals, als wir dem Erstgeborenen eine Schule suchten, sahen wir uns auch die Nachbarschule an, liessen sie dann aber links liegen, obwohl sie einen guten, wenn auch strengen, einen musikalischen, wenn auch ein wenig altmodischen Ruf hat. Es war der Geruch, die Aura, das Karma sozusagen. Die Schule in ihrem alten Gebäude strahlte etwas aus, was meine Liebste und mich selbst an unseren eigenen Schulen so ängstlich hatte werden lassen. Sind es die Putzmittel, die sie in diesen Schulen verwenden, oder allzulang verwendet haben? Ist es die Art, wie Rufe durch die Korridore hallen? Man kann Dutzende neue, aufgeschlossene Direktoren in solche Schulen schicken und hunderte tolle Lehrer, ein bißchen Finsternis und Mief bleibt. Und schüchtert ein.
Der Erstgeborene ist glücklich bei seinen Kameraden und Direktor Edi, und seine Eltern müssen eh alle paar Jahre in die finstere Nachbarschule gehen, nämlich dann, wenns ans Wählen geht, weil dort unsere zuständigen Wahlokale sind. Ich war schnell fertig, und sass dann vor der Schule auf einem Bauzaun, während die Liebste noch wählte.
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und
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von
Ernst
Molden