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das kulturelle überformat
Nr. 6 / 29. Juni 2007
#1967 – Die Literatur
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dossier: Summer of Love
1967 – Die Literatur

Seite konnten seine Oden an diverse Hintern oder seine buddhistischen Gesänge schon ein bisschen befremdlich wirken. Die damalige «street language» ging mit solchen Themen urbaner um. Ginsbergs Sprache mit ihren vielen Bezügen auf tatsächliche Geschehnisse, Freunde und Orgien wirkten da und dort wie Museumsstücke. Museumsstücke aus den Sixties eben.

Sein Live-Auftritt an dem Abend im Juni 1990 war eine grosse Freude und – es muss zugegeben werden – eine ebenso grosse Überraschung. Ginsberg – sieben Jahre später war er tot – war auch jetzt noch ein ausserordentlich gewiefter Live-Darsteller. Sein augenzwinkerndes Auftreten liess den Humor in seinen Gedichten erst richtig auffunkeln; selbst die Aom-Gesänge zur Begleitung eines heiseren indischen Harmoniums wirkten irgendwie befreiend und erheiternd. Indem Ginsberg das Publikum zum Lachen provozierte, lud er es ein, sich seiner radikalen Ehrlichkeit hinzugeben, sie zumindest für die Dauer der Performance ohne Hintergedanken zu akzeptieren – um nachher, daheim, von der Kraft und vom Mut zu zehren, die darin steckten, selbst wenn die romantische Botschaft im Kern doch nicht ganz zum eigenen, eher nüchternen Weltblick passte.

Am nächsten Tag dann das Interview. Gerade war in Grossbritannien eine neue Biographie über Ginsberg erschienen, geschrieben von Barry Miles, einer bekannten Londoner Figur der sechziger Jahre. Darin kommen die Schreiber der Beat Generation, zu deren Kern nebst Ginsberg auch William S. Burroughs und Jack Kerouac gehört hatten, nicht immer sehr toll weg.