Nailstudio und Lesebrille
Der Rücken schmerzt, die Augen brennen, die Finger sind schweissig – nur die Ohren sind noch unbeschadet. Ungeduldig warten sie darauf, endlich mit Musik verzückt zu werden, die aus dem winzigen Ding zwischen den Händen kommen soll. Es ist kleiner als eine CD und fast so dünn, die Tasten sind nur mit der Lupe zu finden, der Bildschirm wohl für Ameisen konzipiert – und doch soll es darin Platz für einige hundert Songs haben. Eigentlich ist es ja ein Handy, das ursprünglich zum Telefonieren gedacht war, dann aber auch noch mit Spielen, Internetapplikationen, Fotoapparat etc. vollgestopft wurde. Und dieses kleine, unschuldig blitzende Alu-Designteil soll nun also auch noch mit Musik gefüttert werden. Wieso?
Die Musikindustrie befindet sich im freien Fall, in der Schweiz ist ihr Umsatz seit dem Jahr 2000 um 38 Prozent eingebrochen. Deshalb kommt es ihr mehr als gelegen, dass eine ehemalige Gratis-Tauschbörse (die vom Schreckgespenst plötzlich zur Hoffnungsträgerin wurde) und eine um Umsätze kämpfende Mobilfunkanbieterin einen vielversprechenden neuen Verkaufskanal gefunden haben. Sie wollen das Handy zum zentralen Gerät des Musikkonsums machen.
Die Songs sollen zukünftig über das allgegenwärtige Handy verkauft werden, weil dort die Gratismentalität des Internets noch nicht eingerissen hat. Wer bisher drei bis vier Franken für einen lausigen Klingelton bezahlt hat, wird auch sFr. 2.50 für einen ganzen Song zahlen – so die Überlegung. Diese Hoffnung wird durch eine Befragung gestützt, die unter 15- bis 34-Jährigen in zehn asiatischen Ländern durchgeführt wurde, wo sich Trends im Schnittbereich von Gesellschaft, Kultur und Technik oft frühzeitig abzeichnen. Drei von vier Befragten bezeichneten ihr Handy als beliebtestes Musikabspielgerät.