selbst für den Mittelstand unerschwinglich geworden. Auch Harlem scheint bis weit in die hunderter Strassen von der Säuberung betroffen. Angefangen vom nördlichen Rand des Central Parks ist das Viertel gründlich aufgehübscht, die Brownstones zu soliden Wertanlagen hochrenoviert. Der weltumspannende Altbauschick und Retro-Futurismus aus Glas und Beton.
Natürlich ist New York (nicht zuletzt deswegen) noch immer eine tolle Stadt. Auch Sicherheit ist ja nicht nur schlecht und selbst in Times Square Nähe findet man noch eine einsame runtergekommene Boxer-Bar, tapeziert mit vergilbten Zeitungsausschnitten aus den Fünfzigern und Sechzigern, mit zweitklassiger Disco aus der Jukebox, zwielichtigen tätowierten Frauen hinterm Tresen und einer gestandenen Besitzerin, die vor ihrem Laden Kette raucht. Es gibt immer noch überall Musik, Konzerte und Kultur jeder Art, schwankende Hip-Hop-Muskeln, fragwürdige Damen, gut aussehende turtelnde Tunten und die beeindruckendsten Streetball-Athleten. Geschlafen wird fast noch weniger als in Berlin.
Und doch kann man sich einer gewissen nostalgischen Leere nicht erwehren, die ihr Vorbild in der Popkultur zu haben scheint und daher wohl auch bald Europa überziehen wird. Irgendwie wirkt die Lebendigkeit wie ein Zitat oder ein seltsam hergerichteter Themenpark. Ein wenig wie die wiederaufgeführten oder seriell fortgesetzten Pop-Klassiker, die einst mit Risiko, Gefahr und unklaren Konsequenzen drohten. Und heute bloss noch reueloses Vergnügen oder eleganten Kunstgenuss versprechen.
Markus Schneider