Wir verzehrten gebratene Wurst, und dann fuhren wir Richtung Stadt zurück, durch das endlose Straßendorf Strasshof.
Ich erklärte der Berliner Schwägerin, weshalb der Ort noch berühmt ist. Wegen des Priklopil. Dieser Mann hatte vor zehn Jahren ein Schulmädchen namens Kampusch entführt und acht Jahre lang unter der Erde festgehalten, bis sich das Mädchen bemerkbar machen konnte und dem Priklopilschen Einfamilienhaus entkam. Der Priklopil warf sich in der Folge vor die Nordbahn. Diese in die österreichische Identität bereits irgendwie integrierte Episode wird gerade von der neueren Inzest-Geschichte aus Amstetten verdrängt, aber was mir als schrecklichstes Bild im Kopf bleibt, ist das Bild dieses Einfamilienhauses, eines Hauses, wie es hier in Strasshof hunderte, wenn nicht tausende gibt.
Ich fürchte mich vor Einfamilienhäusern. Ich finde sie gruselig. Das Haus des Priklopil in Strasshof ist schrecklich, auch ganz ohne grausamen Hausherrn und Garagenverlies. Dieses gepflegte kleine Gebäude, das so viel Konsens ausstrahlt (wieviel Abermillionen solcher gepflegter, kleiner Gebäude gibt es im reichen Europa?).
Aber warum ist es so schrecklich, nicht nur dieses eine Haus, sondern auch alle seine Artgenossen? Es ist doch ganz banal, es könnte also auch harmlos sein. Aber es ist mehr dahinter.
Ein Einfamilienhaus ist die Sollbruchstelle der Gesellschaft, und steht das Einfamilienhaus in der Stadt, ist es fast schon ein Zeugnis ihres Scheiterns. Eine Familie, also Vater, Mutter, Kind(er), lebte ja kaum jemals in der Geschichte allein. Auf dem Land lebte sie gemeinsam mit den Alten, oft auch mit dem Gesinde. In der Stadt lebte sie im Zinshaus, Tür an Tür mit anderen Familien, die man ständig traf, erst noch an der Bassena, dann wenigstens im Stiegenhaus, Menschen, an denen man sich maß.