Nachrichten aus der grossen Geisterstadt Wien (7)
Eisenbahn und Einfamilienhaus
Ich bereite meine Fluchten vor. Ich suche neue Oasen.
Wenn nämlich bald der Fußball hier herumrollt, von mir ja nicht so erwünscht, dann werde ich mich in Sicherheit bringen. Ich werde Orte brauchen, die mich bergen. Die suche ich schon jetzt.
Plätze innerhalb der Stadt verlieren zunehmend ihre Exilwirkung: Mein geliebtes Stadionbad sperrt heuer erst in der Mitte des Sommers auf, davor dient es als, äh, Krisenzentrum der EURO 2008. Polizei, Rettung, Betrunkene, Schläger und Geschlagene werden dann dort sein, aber nicht ich. Überhaupt der ganze Prater, eine überlebenswichtige Wiener Ingredienz wird zum Schmeißen sein während des sogenannten Fußballfestes. Es gilt also neue Orte zu erforschen.
Im Zuge solcher Forschungen waren wir in Strasshof, die Liebste, die Kinder, die Berliner Schwägerin und ich. In Strasshof, genauer: Strasshof an der Nordbahn, in einem Nest im Gemüseland nordöstlich von Wien, da nämlich steht ein aufgelassener Riesenverschubbahnhof, auf dem heute pensionierte Eisenbahner Dampfloks sammeln und renovieren. Dieses sogenannte Heizhaus setzt dann in der warmen Jahreszeit immer wieder seine Loks unter Dampf, und das war der Fall, und das wollten wir sehen. Die schwarzgurgelnden Ungetüme fuhren durch eine wuchernde Landschaft von Disteln und blühendem verwildertem Flieder. Wir fuhren mit.
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gelesen und vertont
von Ernst Molden