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das kulturelle überformat
Nr. 23 / 14. April 2009
#Interview mit Bonnie Prince Billy
  8/13
dossier: Singer/Songwriter II
Interview mit Bonnie Prince Billy

dieser Periode an diesem Ort zustande, wo wir für die restliche Welt wie unberührbar waren.

Sie mussten keine Schlussarbeit abliefern, kein Examen bestehen?

Nein! Es ist ein erstaunlicher Ort. Man ist völlig frei. Das Zentrum liegt im Marin Headlands, einem Naturschutzgebiet. Früher gehörte das Land der Armee. Die einzigen Bauten, die sich dort befinden, sind die alten Armeebauten, die vom Zentrum übernommen wurden. Nichts darf gebaut werden, obwohl es potenziellerweise einer der teuersten Flecken in den ganzen USA wäre. Wenn Sie jemals nach San Francisco kommen, brauchen Sie bloss die Golden Gate-Bridge zu überqueren, links abzuzweigen, und schon befinden Sie sich in einer ganz anderen Welt. Das Zentrum ist zehn Minuten von San Francisco entfernt, aber für mich existierte die Stadt dort nicht mehr.

Wenn ich an einem schönen Ort zu schreiben versuche, kommt nur Kitsch heraus. Haben Sie das Problem nicht?

(lacht) Na ja – ich sehe halt auch im Kitsch einen gewissen Wert. So habe ich damit kein Problem. Wenn ich erkennen kann, dass jemand in irgend einer Form eine emotionelle Wirkung zu erzielen versucht und ich diese Wirkung auch spüren kann, fehlt mir gewöhnlich die zynische Distanz, die es braucht, um es als Kitsch zu sehen.

Mir gefällt «My Heart Will Go On» von Céline Dion. Sogar sehr! Oder «Starship Troopers», der Science Fiction-Film von Paul Verhoeven. Für mich steckt in ihm viel Emotion – ich finde ihn aufregend, er reisst mich mit. Alles, was er mich fühlen lassen will, fühle ich. Obwohl Verhoeven selber vielleicht tatsächlich seine eigene zynische Distanz dazu wahrt.

Mir geht es ein bisschen so, wenn ich «Babe» sehe. Peinlich, aber wahr. Jedes Mal, wenn das Schweinchen in die Arena trabt, breche ich in Tränen aus. Aber igendwie nervt es mich, dass ein Film emotionelle Knöpfe drücken kann – ähnlich wie beim Hund von Pavlov.

(lacht) Sehen Sie! «Babe»! Ein gutes Beispiel. Aber damit habe ich gar kein Problem. Es erfüllt mich sogar mit grosser Freude und Dankbarkeit, dass ich Mensch sein darf. (lacht) Aber ich weiss schon, was Sie meinen. Manchmal passt es mir auch gar nicht, wenn jemand mich so offensichtlich zu manipulieren versucht. Steven Spielberg zum Beispiel. Er ist smart, er ist talentiert – aber ich finde es hart an der Grenze zum Bösartigen, wie er mit den Knöpfen umgeht. Aber «Babe»? Nein, damit habe ich kein Problem. Ebenso wenig wie mit «Starship Troopers». Denn bei Leuten wie Douglas Sirk oder Paul Verhoeven habe ich das Gefühl, dass mit dem Knöpfedrücken auch eine interessante intellektuelle oder politische Agenda einhergeht. In der Situation