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das kulturelle überformat
Nr. 23 / 14. April 2009
#Joseph O'Neill
  3/6
literatur
Joseph O'Neill

Beim Anschlag auf das World Trade Center vom 11. September 2001 ist den Terroristen ein Denkfehler unterlaufen: der Anschlag galt Amerika. Das Land als Ganzes reagierte darauf verängstigt und in der Folge aggressiv, doch New York fand gestärkt aus dieser Krise hinaus. Die New Yorker, oft durch soziale Unterschiede und ideologische Unterschiede als Kollektiv geschwächt, rückten nach dem Anschlag wieder zusammen. Plötzlich war diese grosse gemeinsame Idee wieder allen gegenwärtig.

In «Niederland» spielt dieses Post-9/11-New York eine Hauptrolle. Erzählt wird die Geschichte des Niederländers Hans van den Broek, der mit seiner britischen Frau Rachel und seinem Sohn in einem Loft in Tribeca, im Süden Manhattans lebt. Rachel arbeitet als Juristin bei einer grossen Firma, er als Analyst bei einer Bank. Ein erfolgreiches Paar, wie es sie in der Blütezeit der Wirtschaft unter Präsident Bill Clinton viele gegeben hat. Als dann die Türme fallen, müssen sie ihr Loft verlassen und ziehen in ein Apartment im legendären Chelsea-Hotel. Diese erzwungene «Umsiedlung», die Angst vor weiteren Anschlägen und die Wut über die Politik der Bush-Administration bewirken, dass es die Ehefrau in der Stadt nicht mehr aushält. Sie zieht mit dem Kind zurück nach London.

In der Folge pendelt Hans jedes zweite Wochenende zwischen den beiden Städten. Dazwischen findet er sich in einer Situation wieder, in der er erstmals New York mit anderen Augen betrachtet. Die Beziehung und der berufliche Trott sorgten in der Vergangenheit dafür, dass die Stadt bloss Kulisse war für eine funktionierende Familie. Nun ist sie sein einziges Gegenüber und er lernt mit ihr umzugehen.