Bei den Repressalien gegen den Heavy Metal können sich die Regimes sowieso nicht auf eine klare Deutung der religiösen Kerntexte berufen, gehen doch die Lehrmeinungen über den Stand der Musik im Islam weit auseinander. Im Koran gäbe es keine Verse, die die Musik verbieten, so der schwedische Islam- Gelehrte Jonas Otterbeck bei einem 2005 in Beirut durchgeführten Seminar über Musik und Meinungsfreiheit. Die zum Hadith zusammengefassten Anweisungen und Empfehlungen des Propheten Mohammed liessen allerdings Platz sowohl für konservative wie auch für liberale Interpretationen.
In «Heavy Metal Islam» zeigt LeVine, Professor an der Universität von Kalifornien, minutiös auf, wie unterschiedlich in den einzelnen Staaten die Beziehung zwischen Politik und Metal ist: Toleranz im Libanon, Duldung in Marokko, Repression in Ägypten. Für Akademiker ist dieses Buch nicht gedacht, dafür ist LeVines Prosa zu salopp, und die Tendenz zur Selbstdarstellung zu ätzend. Man mag das Sprunghafte seines mit O-Tönen, Anekdoten und Spekulationen gepfefferten Stils vielleicht nicht, schätzt aber die Begeisterung, mit der LeVine gängige Stereotypen über die islamische Welt und den Heavy Metal aus dem Weg räumt. Für die Fans zwischen Rabat und Islamabad gebe es keinen Widerspruch zwischen Rock und Religion, schreibt er. Das Eine könne sogar Ausdruck des Anderen sein.
Wer sich die Musik der muslimischen Metal-Bands auf YouTube oder Myspace anhört, merkt schnell, dass sie keine simplen Kopien englischer, deutscher oder amerikanischer Vorbilder sind. Vielmehr begegnet man häufig einem Lokalkolorit, das sich in Anleihen bei traditioneller Musik und deren vertrackten Polyrhythmen äussert. Andere Gruppen, wie etwa die libanesischen Kordz, gefallen sich in einer fast schon eurovisionstauglichen Melodiosität.