Pero, einer der beiden hünenhaften kroatischen Patrone, der neuerdings eine Brille trägt, kommt mir entgegen: Ernstl, alta Freind, wo bista imma, wieviel Kinda hasta jetzt? Drei, antworte ich, zwei hab ich übrigens mit. Ich drücke meinen Zweit- und meine Drittgeborene auf eine gepolstertete Eckbank, Pero überhört meine Bestellung einer Melange und bringt mir ein Bier.
Sönes Kaffeehaus! sagt der Zweitgeborene.
Früher, so vor zehn bis zwanzig Jahren, war ich ständig im Alt Wien, morgens dort beginnend, nachts dort verendend. Meine Nähe zu Wiens möglicherweise beständigstem Kaffeehaus hatte den Hauptgrund, das ich ums Eck wohnte, und selbst auf Restalkohol nur vier Minuten in die Bäckerstrasse brauchte. Das Café war in der damals sehr in Mode befindlichen Bäckerstrasse so etwas wie das rauchgeschwärzte Tabernakel und gleichzeitig stand es vollkommen drüber. Alt Wien, schon der Name konnte bei diesem Kaffeehaus immer nur zutiefst ironisch gelesen werden.
Jetzt ist die Bäckerstrasse ziemlich aus der Mode gekommen, aber das Alt Wien ist dasselbe: Eine Art Bunsenbrenner, dessen giftig trübe Flamme Tag für Tag und Nacht für Nacht Studenten und Tagediebe, Geschäfsleute und Beamte, Lebenskünstler und Sterbenskranke, Hiesige und Fremde zu einem unglaublich besoffenen Pandämonium verschmilzt, von dem nach vier Uhr früh nichts überbleibt als ein paar blinde Bierlachen.
Das Wunder des Alt Wien: Ein Wunder der vanitas!
Ich blicke auf meine Kinder, die so malerisch unter dem Plakat einer schwulen Fotoausstellung sitzen, und denke, dass sie zu klein sind, um ihnen dieses Wunder zu eröffnen. Dann sehe ich hinten an der Schank einen Säufer, den ich von früher kenne. Der Säufer starrt
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und
vertont
von
Ernst
Molden