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das kulturelle überformat
Nr. 12 / 6. März 2008
#Kolumne von Hanspeter Künzler, London
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gedankengang
Kolumne von Hanspeter Künzler, London

Abenteuer? Es ist eine krasse Ironie, dass im Rockgeschäft ständig die Rede ist von Risiko, dabei ist das einzige Risiko, das der durchschnittliche Rockgitarrist je eingeht, ein gesundheitliches – Drogen und Alkohol sollen auf die Dauer die körperliche Fitness beeinträchtigen. Klar, es gibt auch in der Impro-Szene Konventionen. Zum Beispiel die, dass die meisten Improvisierer mit Saxophonen, Trompeten, Schlagzeugen und Gitarren, allenfalls noch mit elektronischen Apparaten antreten. Warum nicht Handorgel, Dulcimer (Zither), Banjo und Waschbrett? Nicht alle Ohren verdauen schliesslich die zum Schrillen neigenden Blasinstrumente gleich gut. Paul Dunmall ist auch in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Er, von Haus aus Saxophonist Coltrane’scher Prägung (einer der allerbesten in England), hat auch schon Alben mit Dudelsackimprovisationen eingespielt. Letzthin habe ich ein paar von ihnen der Folksängerin Linda Thompson geschickt, die so etwas noch nie gehört hatte und – verständlicherweise – mit grösster Begeisterung reagierte. Eben: wer das Zeug einmal zu hören bekommt, könnte überrascht sein…

Also, in Sachen Infrastruktur mag Paul Dunmall fest im 21. Jahrhundert stehen. In Sachen Werdegang hingegen ist er eindeutig ein Kind des letzten Jahrhunderts, genauer, der Sixties. Er wuchs in einem Londoner Vorort auf und wurde noch als Teenager in die Progressive-Rock-Band Marsupilami aufgenommen, die beim ebenfalls sammelwerten englischen Aussenseiter-Label Transatlantic unter Vertrag stand. Wie es sich gehörte für jene Zeiten, gehörte Paul bald auch zu den Fans eines finanziell höchst erfolgreichen Guru. Prompt folgte er dessen Ruf nach Los Angeles, wo dessen Hauptquartier stand. Der Guru hielt sich eine ganze Big Band. Die Mitglieder führten ein ideales Musikerleben. Am Morgen durfte Paul allein üben, am Nachmittag tat er dies zusammen mit den anderen Bläsern, und am Abend folgte eine Probe mit dem Orchester. Um Geld brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Der Guru sorgte für alles. Die Guru-Band mit Paul Dunmall tritt übrigens auf einigen Alben von Alice Coltrane in Erscheinung. Leider aber