umgehen, da ich nicht allein mit einer akustischen Gitarre vor dem Mikrofon stehe, sondern eine ganze Band im Rücken habe. Also habe ich mir die künstlerische Freiheit genommen, hier und da einzelne Wörter zu streichen, bei «Gates Of Eden» habe ich ganze Strophen gekippt. Einigen Leuten werde ich wohl ein bisschen zu weit gegangen sein, das ist mir klar.
Sie waren ja noch nie zimperlich in Ihrem Umgang mit Dylans Werk. Ihre Interpretation von «A Hard Rain’s A-Gonna Fall» aus dem Jahre 1973 war – gelinde gesagt – ziemlich exzentrisch.
Das war sie, ich war ja noch jung. Ganz im Gegensatz zu «A Hard Rain’s A-Gonna Fall» unterscheiden sich die Interpretationen auf «Dylanesque» nicht allzu stark von Dylans Originalversionen: da ging es mir in erster Linie darum, im Studio schnell und spontan arbeiten zu können. Ich denke, so habe ich Dylans Musik wieder ein bisschen schwarzer klingen lassen. Das war so nicht geplant, aber dies hat sich wohl aus der Tatsache heraus ergeben, dass er und ich in unserer Jugend die gleichen Platten von Blues-Sängern wie Leadbelly oder Big Bill Broonzy gehört haben. Wir haben also gemeinsame musikalische Wurzeln, ohne einander je begegnet zu sein. Irgendwie komisch, wie er und ich uns über Jahrzehnte hinweg in unseren ganz eigenen Welten bewegt haben – wie es übrigens die meisten Musiker tun – und erst jetzt durch
«Dylanesque» wieder ein bisschen näher zusammengerückt sind.
Ist es wichtig für Sie, dieses persönliche Universum gegen äussere Einflüsse abzuschirmen?
Gar nicht. Das heisst – früher war das so. Damals versuchte ich, meine eigene kreative Identität zu etablieren, darum habe ich die Angebote anderer Musiker immer ausgeschlagen. Ich war damals sehr scheu und auch noch ein bisschen reserviert, was mir den Ruf einbrachte, arrogant zu sein. Das Hal-Willner-Album «Rogue’s Gallery» mit den Piratenliedern war ein Wendepunkt für mich – bei den Aufnahmen habe ich Warren Ellis und Leo Abrahams kennen gelernt, die ja inzwischen in meiner Band spielen. Jetzt weiss ich, wie befruchtend es sein kann, sich bei einem fremden Projekt einzubringen, darum habe ich heute keine Berührungsängste mehr. Wobei ich mich noch nie als Teil der Musikszene gesehen habe: Ich suche nicht aktiv nach Kontakten zu anderen Musikern und hänge auch nicht mit Musikern herum. Mit Ausnahmen: beinahe hätte ich Dylan kennen gelernt, als ich vor einigen Monaten bei Dave Stewart in Los Angeles zu Besuch war. Weil Dylan ein guter Freund von ihm ist, wollte Dave ihn zu sich einladen, um mein neues Album zu hören. Zum Glück war Dylan nicht zuhause, als Dave bei ihm anrief. Ich hätte nicht den Mut gehabt, ihm meine Adaptionen seiner Songs vorzuspielen.