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das kulturelle überformat
Nr. 3 / 27. März 2007
#Interview Sascha Lobo
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dossier: Blog
Interview Sascha Lobo

Kommunikationsmechanik auch nur über die Blogospähre aufgedeckt werden konnten.

Zum Beispiel?

Ein gewisser Thomas Hawk wurde von einer Internetfirma gelinkt . Die Firma, bei der er eine günstige Kamera gekauft hatte, hat ihn unter Druck gesetzt, Zubehör zu kaufen, ihn telefonisch beschimpft und nicht geliefert. Da geht man normalerweise zur Polizei und kommt in die ganze Mühle der Beweisbarkeit und Zuständigkeit. Hawk hat es geschafft, dass die Firma von allen grossen Internethäusern von Yahoo bis Amazon ausgeschlossen wurde. Ein Tropfen auf den heissen Stein – aber einer, der nur durch diese Kommunikationsmaschine hat entstehen können. Alles andere ist Leserbrief.

Wie sehen Sie denn das Verhältnis traditioneller Printmedien zu den Virtuellen?

Schwierig zu sagen, weil es DIE Print- oder DIE Online-Medien ja nicht gibt. Generell haben viele Printleute, gerade Journalisten, Angst vor dem Internet, was mit der Mechanik des Bloggens zusammenhängt. Wenn jeder Publizieren kann, fällt das Nadelöhr weg, dass «Ich» publizieren darf. Was den Redakteur einer grossen Zeitung früher auszeichnete, war ja die Tatsache, daß seine Artikel von vielen Leuten gelesen wurden. Wenn dieses Kastensystem wegfällt, muss man sich sehr

genau überlegen, warum man überhaupt wofür und mit welchem Recht Journalist ist. Das halte ich für eine Chance, den Journalismus qualitativ noch hochwertiger zu machen.

Was heisst das umgekehrt für Qualitätskontrolle, Faktenlage, womöglich Wahrheit, wenn die Legitimitätsfrage wegfällt? Zum Beispiel gab es ja gerade viel Kontroverses bei Wikipedia.

Das ist ja ein inszenierter Krieg handfester Interessen. Die Leute, die sich da bedroht fühlen sind die traditionellen Nachschlagewerke und die Verlage…

... wobei es immer wieder Artikel gibt, die so einfach nicht stimmen.

Schon, aber wenn ich einen Apfel kaufe, kann ich mich nicht beschweren, dass er keine Birne ist. Manche Mechanismen funktionieren eben im Netz anders als in der Realität. Um real zu lügen, muss man sich schon anstrengen. Im Netz zu lügen, ist nicht nur leicht, sondern geradezu verführerisch attraktiv. Dazu kommt die Anonymität. Das führt zu einer Menge Verwerfungen, die man kennen und akzeptieren und als ständigen Filter mit sich herumtragen muss. Dass die 17-jährige Laura Blond auch der 50-jährige Bauarbeiter mit Glatze sein kann, ist so ein stehendes Beispiel, das die Plakativität aber gut illustriert.