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das kulturelle überformat
Nr. 3 / 27. März 2007
#Kolumne von Markus Schneider, Berlin
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gedankengang
Kolumne von Markus Schneider, Berlin

Konzert-Kritik neben grotesker Dummheit, galaktischem Hass und einem Bierbauch auch Vorurteile unterstellten. Was immer noch freundlich ist gegenüber dem Hodenkrebs, den man einem Kollegen in einer ähnlichen Situation an den Leib wünschte. Vorurteile heissen bei Kritikern natürlich Erwartungen, die meist von den Objekten der Kritik, vor allem den besser gestellten ab Chartsposition 20 aufwärts, recht gezielt geweckt werden. Werden die dann enttäuscht, vermerkt man es eben im Bericht.

Heisst also eine Bar nach einem ebenso unermüdlichen Schreiber wie Trinker darf man eigentlich davon ausgehen, dass der Berliner Sperrstundenfreiheit wenigstens ein wenig Rechnung getragen wird.
Oder ist das Vorurteil? Tut man womöglich Kneipen Unrecht, die mit fehlgeleiteter Wortspiellust Wunder-, Kost- und Sonderbar heissen? Die ich immer vermieden habe, im Gegensatz zu völlig rätselhaften Versprechen wie dem «Kumpelnest 3000», ein leider erlahmter, einst aber sinnlos vitaler, lärmender Transen- und Gehörlosen- Absturzladen. Wobei mir eigentlich immer die phantasiefreien, aber exakten Namen die zuverlässigsten schienen. Die «Hausbar» im Prenzlauer Berg etwa, weil sie halt in einem Haus ist. Im schönen «Kirk» an der neuen Nachtmeile ums Schlesische Tor in Kreuzberg steht eben Kirk hinterm Tresen. Auch das legendäre «Risiko» gehörte dazu, weil dort der frühe Blixa Bargeld in riskantem Leder zu Todescountry den damals riskant lebenden Nick Cave bediente, wo immer das Risiko bestand, substanzgeschädigt um 11 Uhr morgens auf dem Tresen zu tanzen und wo immer wieder Leute riskierten, abgewiesen zu werden, weil sie die strengen Kaputtheitskriterien des Türstehers nicht erfüllten. Präzise auch das derzeit angesagte «Möbel-Olfe», das einfach den fetten Neonschriftzug eines glücklosen Einrichtungsgeschäfts nach dessen Aufgabe hoch am ranzigen Betonblock hängen liess.

Es ist übrigens so, dass die prekären urbanen Szenen offenbar das beste Biotop für gutes Ausgehen bieten. Auch «Die Zeit» erklärt