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das kulturelle überformat
Nr. 11 / 5. Februar 2008
#Interview mit Stephin Merritt, Magnetic Fields
  4/6
musik
Interview mit Stephin Merritt, Magnetic Fields

dem damaligen Mastering-Stil ist als zum Inhalt oder der Bedeutung der Musik. Ich höre nicht gern Frequenzen, die ich tonal nicht zuordnen kann. In den Funk-Platten der frühen Siebziger gab es eigentlich nicht viele tiefe Bässe, ohne dass die höhere Oktave dazu gemischt worden wäre, damit man hören kann, was da passiert. Da wurde der Bass oft als führendes Instrument verwendet, aber gefiltert, so dass es nach «bauwau bauwau» klang. Nicht so wie das «wumm wumm» in House-Platten oder aktuellen Hip Hop-Platten, die in Clubs am besten klingen, ausserhalb von Clubs aber erbärmlich. «Distortion» klingt so, als könnte es leicht auf eine Vinyl-Platte passen. Da gibt es keine Höhen und keine Bässe. Deswegen hört es sich an wie Mittelwellenradio und sollte auch auf Laptop-Lautsprechern gut klingen. «Distortion» ist ein Album, das für mich so klingt wie alle Musik, die ich lauter als in Zimmerlautstärke höre. Ein paar Kettensägen – und jemand singt dazu.

Das hat wohl auch mit den über allen Instrumenten liegenden Rückkopplungen zu tun. Ich habe gelesen, dass Ihr kleine Verstärker auf alle Instrumente aufgeklebt habt, um diesen Effekt zu erreichen.

Ja, die heissen Smokie und sind tatsächlich in leere alte Zigarettenschachteln verpackt. Wir haben diese kleinen Verstärker mit Klebeband an die Instrumente geklebt, um sie durch direkte Berührung zum Vibrieren zu bringen. Mit den Gitarren und dem Cello lief das gut,

aber beim Akkordeon mussten wir den Verstärker am Blasbalg anbringen.

Normalerweise vermeidet man in Studios ja Feedback, weil es den Sound schwer kontrollierbar macht. War es genau das, was Sie gesucht haben? Der Punkt, an dem alles ausser Kontrolle gerät?

Ja, ich wollte diesen etwas unkontrollierbaren Faktor, dass zugleich mit den komponierten Tönen auch unbestimmte Töne und Obertöne produziert werden. Deswegen dauerte das Mischen dieses Albums auch ein ganzes Jahr. Wenn man The Jesus And Mary Chain heisst und mit Feedback eines einzigen Instruments einen riesigen Wall of Sound im Stil von Phil Spector erzeugt, ist das eine Sache. Wenn man dagegen so wie wir, vier oder fünf Melodie-Instrumente hat, die alle rückkoppeln, ist das schon etwas ganz anderes.

Warum singt eigentlich Shirley Simms die Hälfte des neuen Albums?

Ursprünglich wollte ich die ganze Platte selbst singen, aber wir fanden, dass dann die Songs zu ähnlich klangen. Nachdem ich im Grunde The Jesus And Mary Chain imitierte, die immer genau gleich klangen, haben dann auch unsere Songs alle gleich geklungen. Aber es schien schon besser, wenigstens die Oktaven zu wechseln. Man kann auch feststellen, dass Shirley lauter wirkt als ich, obwohl sie das nicht wirklich ist, sie singt bloss eine Oktave höher.