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das kulturelle überformat
Nr. 11 / 5. Februar 2008
#Interview mit Stephin Merritt, Magnetic Fields
  3/6
musik
Interview mit Stephin Merritt, Magnetic Fields

Stephin Merritt, als ich diese Platte zum ersten Mal hörte, sah ich mich in die Hörerfahrungen meiner Kindheit zurückversetzt, als wir uns Musik noch über Mono-Lautsprecher anhörten. Das Mittelwellenradio war in Europa ja nicht so populär wie in den USA, wo sich UKW erst später durchsetzte, aber Produktionen wie die eines Phil Spector waren wohl für diese Art von Klang gemacht, und «Distortion» belegt ein ähnliches Spektrum.

Wir betreten gerade das Zeitalter eines neuen Formats des Musikhörens auf Laptop- Lautsprechern, dessen Klangqualität schlechter ist als die fast aller früheren Formate, daher werden wir uns wieder Musik zuwenden, die sich auf den schlechtest möglichen Lautsprechern mit den schlechtest möglichen Übertragungsraten, oft de facto in Mono anhören lässt, zumal die zwei Lautsprecher nur knapp zwanzig Zentimeter voneinander entfernt sind. Da wäre echtes Mono übrigens besser, weil die Phase korrekter ist. Aber das ist nicht alles: Die Leute hören Musik am Telefon! Menschen, die wahrscheinlich sogar ein hochwertigeres Medium zum Musikhören bei sich haben, hören ihre Musik lieber am Telefon, als ihren Walkman aus der Tasche zu holen. Es ist ganz klar, dass die Leute sich einen Deut um Klangqualität scheren.

Hier sind wir also angelangt in der unglaublichen Low-Fidelity-Welt der populären Musik des 21. Jahrhunderts.

In der Ära von Phil Spector in den frühen Sechzigern, die in Amerika von 45rpm-Singles und Mittelwellenradio bestimmt war, waren die populären Stimmen vor allem weiblich. Girl Groups dominierten die frühen Sechziger, denn wenn man die Musik akustisch nicht gut ausmachen kann, setzen sich höhere Stimmen, die sich dem Quengeln eines Babys annähern, am ehesten durch. Die Texte dazu mussten so sein, dass jeder sie leicht verstehen konnte. Man musste nicht erwachsene Emotionen erfahren haben, um diese Musik zu geniessen. Daher also Girl-Group-Musik für Teenager und Kinder. Und siehe da, genau dasselbe scheint auch heute in den Pop-Charts populär zu sein: Girl Groups mit unfassbar dummen Texten. Wir werden sehen, wie schlecht die Klangqualität noch werden wird. Vielleicht werden sich die Leute in Zukunft ihre Musik über Lautsprecher von Telefonen anhören, die im Zimmer nebenan liegen.

Lustigerweise wird Musik heutzutage aber parallel dazu auch in sehr hoher Klangtreue gehört, die ihr ganzes Frequenzspektrum zur Schau stellt.


Ein grosses Problem der CD-Ära war, dass CDs tiefe Frequenzen besser wiedergeben konnten als Vinyl, daher gab es zuviele Bässe. Fast alles, was auf CD herauskam, klang auch verdächtig nach CD. Mir wurde erst vor kurzem bewusst, dass ein grosser Teil meiner seit der Ankunft der CD gewachsenen Liebe zur Musik der Sixties eigentlich mehr eine Zuneigung zu