Jede Erwähnung des Namens Stephin Merritt zieht stets automatisch den ganzen langen Rattenschwanz seiner vielen Bands und Projekte nach sich, von den Gothic Archies über Future Bible Heroes und The Sixths bis zu seiner jüngsten, auf dem Album «Showtunes» verewigten Auseinandersetzung mit dem chinesischen Singspiel. Spätestens seit dem durchschlagenden Erfolg des 3 CD-Sets «69 Love Songs» aus dem Jahre 1999 bleiben aber The Magnetic Fields die bekannteste Handelsmarke des New Yorker Songwriters. Vier Jahre nach dem letzten unter diesem Bandnamen veröffentlichten Album «i», dessen Songs allesamt mit dem titelgebenden Buchstaben begannen, kämpfen die – trotz der sexuellen wie seelischen Düsternis der Texte – so täuschend lieblichen Pop-Melodien der Magnetic Fields sich auf deren neuester Liedersammlung «Distortion» wacker durch einen dichten Feedbacknebel. Wären da nicht die bitteren Balladen zwischendurch, man könnte zu dieser rauschenden Neurose glatt abtanzen. (Nicht dass sich der notorisch grummelige Stephin Merritt je zu solch selbstvergessenen Vergnügungen hinreissen liesse.)
Wir treffen ihn an einem Dezembertag in einer Londoner Hotelbar auf der Durchreise. Wie üblich trägt er seinen kleinen Ukulele-Koffer mit sich herum. Merritt, dessen unauffällige Kleidung und konservative Tweedmütze allen Klischees des schwulen Exzentrikers spottet, amüsiert sich über die rosa Socken des britischen Geschäftsmanns am Tisch nebenan, das heisst, seine grüblerische Miene hellt sich einen Moment lang auf. Dann wenden wir uns «Distortion» zu, einer Platte, der wie jedem Magnetic Fields-Album zuvor eine prägende Idee zugrunde liegt, die in diesem Fall gleich beim Hören der ersten Takte offensichtlich wird: hier geht es um die Politik des Sounds im digitalen Zeitalter der komprimierten Musikdateien und der schwindenden Hörkultur – ein Thema, das Stephin Merritts übliche Einsilbigkeit in einen wahren Redefluss verwandelt.